https://www.baunetz.de/wettbewerbe/Gedenkstaette_und_Museum_Sachsenhausen_Neubau_Museun_sowjetisches_Speziallager_aktualisiert__98830.html

Anlaß und Ziel

Die Gedenkstätte Sachsenhausen, seit 1993 Teil der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, hat 1990 begonnen, sich mit dem zur DDR-Zeit verdrängten Thema "Speziallager"' auseinanderzusetzen und es - als Teil der Geschichte des Ortes - in die Gedenkstättenarbeit einzubeziehen.

1945 bis 1950 nutzte die sowjetische Besatzungsmacht das Areal und die Gebäude eines Teils des nationalsozialistischen Konzentrationslagers Sachsenhausen als "Speziallager l` zur Unterbringung sogenannter "Internierter" und durch die sowjetischen Militärtribunale Verurteilter. Das "Speziallager Nr. 7" (ab 1948 "Speziallager Nr. 1") war mit insgesamt etwa 60.000 Häftlingen das größte der elf NKWD-Lager in der Sowjetischen Besatzungszone. Der Lageralltag war von Isolation, Schreib- und Besuchsverbot ("Schweigelager"), Willkür, Untätigkeit, Hunger, Krankheit und Tod bestimmt. Mindestens 12.000 Gefangene überlebten das Lager nicht; viele wurden die stalinistischen Arbeitslager der UdSSR deportiert. Noch bis 1989 durfte über das Thema der sowjetischen Speziallager in der DDR nicht öffentlich diskutiert werden.

Eine provisorische Dokumentation über das Speziallager ist gegenwärtig im Lagermuseum zu sehen. Anläßlich des 50. Jahrestags der Auflösung der sowjetischen Speziallager in der DDR soll Ende 2 000 die Dauerausstellung "Sowjetisches Speziallager Nr. 7 /Nr. 1 (1945-1950)" eröffnet werden. Hierfür soll eln Neubau errichtet werden, und zwar auf dem Areal der ehemaligen "Zone 11 des Speziallagers nördlich des engeren Lagerdreiecks. Während die "Zone I" innerhalb des Dreiecks für sogenannte Zivilinternierte bestimmt war, waren in der "Zone II" ab Anfang 1946 zunächst vor allem deutsche Wehrmachtsoffiziere vor ihrer Deportation in die Sowjetunion und ab Herbst 1946 Deutsche inhaftiert, die durch Sowjetische Militärtribunale verurteilt worden waren. Eine, optional zwei der dort noch vorhandenen historischen Steinbaracken sollen in die Dokumentation einbezogen werden. Westlich davon, in unmittelbarer Nähe, befindet sich einer der drei Friedhöfe des Speziallagers. Hier waren vermutlich etwa 7.500 Menschen in Massengräbern namenlos verscharrt worden.

Die Wahl dieses Standortes für den Museumsneubau ergibt sich aus dem dezentralen Ausstellungskonzept der Gedenkstätte sowie aus dem Beschluß der Stiftungsgremlen, keine originalen KZ-Gebäude im inneren Lagerbereich für die Speziallager-Dokumentation zu nutzen. Zugleich befindet sich der Standort ("Zone III in unmittelbarer Nähe zum inneren Lagerdreieck ("Zone I"), wodurch die für das Speziallager Sachsenhausen charakteristische Zweiteilung zum Ausdruck kommt, und liegt unmittelbar neben dem Kommandantenhof mit dem Gräberfeld.

Im Wettbewerb soll eine entwurfliche Lösung für den geplanten Neubau gefunden werden, die den von der Stiftung und ihren Gremien entwickelten konzeptionellen Vorstellungen einer sachlichen und schlichten Museumsarchitektur ohne Memorial-Elemente entspricht. Darüber hinaus sollen Vorschläge zur Einbeziehung der Steinbaracke(n) und zum Umgang mit dem Außenbereich und den dort noch vorhandenen Relikten und Spuren entwickelt werden. Dies entspricht den Empfehlungen der Denkmalpf lege, die vorhandenen Gebäude zu erhalten, nach Möglichkeit eine adäquate Nutzung für sie zu finden und darüber hinaus die noch existierenden Relikte in die Dokumentations- und Vermittlungsarbeit einzubeziehen.

Der Wettbewerb ist auf dem Hintergrund des schwierigen Umgangs mit der zweifachen Geschichte des Lagers zu sehen, wie sie in ähnlicher Weise auch in Buchenwald existiert. Auf das nationalsozialistische Konzentrationslager Sachsenhausen, von dessen insgesamt etwa 200.000 Häftlingen mehrere zehntausend, vielleicht sogar fast 100.000, nicht überlebten, teilweise auch Massenmorden zum Opfer fielen, folgte das sowjetische Speziallager, dessen menschenunwürdige Haftbedingungen zu Hunger, Krankheit und zeitweise zum Massensterben führten.

Die Entstehung des Speziallager-Systems ist im Kontext der alliierten Beschlüsse zur beabsichtigten Besatzungspolitik zu sehen; in der Sowjetischen Besatzungszone wurde die Entnazifizierung jedoch zunehmend von der sowjetischen Machtpolltik überlagert. Unterschiedliche Einschätzungen bei der gemeinsamen Betrachtung der beiden historischen Etappen, ihrer jeweiligen Besonderheiten und vergleichbaren Charakteristika, ihrer strukturellen Bezüge und Kausalitäten sowie ihrer Bedeutung für das kollektive Gedächtnis der Gegenwart haben seit 1990 immer wieder zu Kontroversen geführt, deren Heftigkeit auch durch die jahrzehntelange Tabuisierung der Nachkriegsentwicklung des Lagers in der DDR bedingt ist.

In diesem Kontext kommt dem geplanten Neubau mit der Dokumentations-Ausstellung zum "Speziallager Nr. 7 / Nr. 1" eine besondere Bedeutung zu, die über die konkrete Bauaufgabe hinausweist. Ähnlich wie bei dem 1997 eingeweihten Dokumentenhaus für das "Speziallager Nr. 2" in Buchenwald wird die Thematisierung des Verhältnisses von "Speziallager"-Dokumentation und historischem Lagergelände, von Erinnerung und Zeitgeschichte in seiner architektonischen Ausformung exemplarischen Charakter gewinnen.