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Öffentlicher Platz kann als Werk der Baukunst angesehen werden

Auch ein öffentlicher Platz kann als Werk der Baukunst angesehen werden, soweit er die im Urheberrecht vorausgesetzte Individualität aufweist

Hintergrund
Werke des Architekten sind urheberrechtsschutzfähig.

Voraussetzung dafür, dass einem bestimmten Werk Urheberrechtsschutz zuerkannt werden kann, ist, dass das Werk eine persönliche geistige Schöpfung darstellt.
Beispiel
(nach OLG Düsseldorf , Urt. v. 11.01.2024 - 20 U 36/23)
Ein Architektin und Stadtplanerin entwarf im Jahre 2004 im Auftrag einer Stadt ein Konzept zur Umgestaltung des von Straßen umfassten, von Straßenbahnschienen durchschnittenen und mit einer Straßenbahnhaltestelle versehenen Platzes. Das Konzept wurde in den Jahren 2004/2005 in Kooperation mit einem Landschaftsarchitekten und einem Lichtkünstler umgesetzt. Die Stadt bezeichnete die gestalterische Elemente wie folgt:

  • "leuchtende Stadtmöbel": 3 aus grüntürkis-farbenen schlagsicheren Glasbausteinen gefertigte Begrenzungselemente markieren die Platzkanten. Die sogenannten Stadtsofas sind von innen beleuchtet und dienen als Schutz vor dem Verkehr.
  • Platzoberfläche aus grünen versiegelten, schmutzabweisenden Betonsteinen mit einem Raster aus Leuchtpflaster (Betonsteine mit rutschfesten und schlagsicheren LED Lichtmodulen)
  • "Grüner Strahl": Die Mitte des Platzes wird durch einen beleuchteten grünen Pylon markiert, der als "grüner Strahl" zu aus allen Straßenachsen sichtbar ist.
  • Ergänzende Baumpflanzungen zur Einfassung des Platzes



Nach der Umgestaltung des Platzes genehmigte die Stadt den Betrieb einer Pizzeria auf dem Platz, zunächst aus einem silbernen Verkaufswagen/Stand heraus, seit 2013 in Absprache mit der Stadt in einem Glaspavillon und angrenzender möblierter Terrassenfläche. Im Jahr 2020 errichtete der Gastronomiebetreiber mit entsprechender Genehmigung der Stadt einen Zaun aus eloxierten Stahlträgern mit rostfreien Drahtseilen um den Gastronomiebetrieb samt möbliertem Terrassenbereich, der auch Stadtsofas einschließt. Der Zaun ist zudem mit Schrauben an den Stadtsofas befestigt.

Die Architektin verklagt den Gastronomiebetreiber auf Unterlassung. Sie ist der Ansicht, durch die Errichtung des Zaunes ließen sich Teile des Platzes, unter anderem Stadtsofas, nicht mehr für die Öffentlichkeit nutzen, sodass sie die von der Klägerin mit ihrer Gestaltung des Platzes angedachte Funktion nicht mehr erfüllten. Der Gastronomiebetreiber bestreitet die Urheberrechtsschutzfähigkeit der Gestaltung.

Landgericht und Oberlandesgericht stellen klar, dass auch ein öffentlicher Platz als Werk der Baukunst angesehen werden kann. Hierzu müsste der öffentliche Platz die im Urheberrecht vorausgesetzte Individualität aufweisen. Die für eine persönliche geistige Schöpfung notwendige Individualität erfordere, dass sich das Bauwerk nicht nur als Ergebnis rein handwerklichen und routinemäßigen Schaffens darstelle, sondern dass es aus der Masse alltäglichen Bauschaffens herausrage. Vorliegend habe die Stadtplanerin ein besonderes Konzept geschaffen, das sich von der üblichen Gestaltung eines Platzes durch besondere Merkmale unterscheide, insbesondere durch das Vorsehen einer zentralen Lichtskulptur und die Anordnung beleuchteter "Stadtsofas" sowie einem Licht/Farbkonzept im Sinne einer allgemein zugänglichen und durch Bodenstrahler gestalteten "grünen Insel". Diese – nicht allein technisch oder aus ihrem Gebrauchszweck bedingten – Merkmale reichen aus, um eine besondere, eigenschöpferische Wirkung und Gestaltung zu bejahen. Im Übrigen habe der Gastronomiebetreiber auch nicht durch Vorlage konkreter Entgegenhaltungen dargelegt, dass die Architektin bei der Gestaltung des Platzes auf Vorbekanntes zurückgegriffen habe, was einer Anerkennung als eigenschöpferische Leistung hätte entgegenstehen können.

Hinweis
Der Gastronomiebetreiber hatte zudem die "Aktivlegitimation" der Architekten bestritten, da diese zusammen mit anderen im Team gearbeitet hatte. Weiter hatte er seine "Passivlegitimation" ebenso bestritten mit der Behauptung, die Architektin hätte die Stadt (die ihm den Betrieb der Gastronomie erlaubt habe) und nicht ihn selbst verklagen müssen.

Beide Argumente ließ das Gericht nicht durchgreifen. Für die Geltendmachung der Ansprüche reicht eine Miturheberschaft aus. Die Architektin habe im Einzelnen dargelegt, welche Leistungen sie im Rahmen der Neugestaltung des Platzes erbracht habe und welche Maßnahmen zu Umgestaltung auf ihre Ideen zurückgegangen sein. Auch sei er als Gastronomiebetreiber der richtige Beklagte gewesen. Die Ansprüche gemäß § 97 Urheberrechtsgesetz richten sich gegen all diejenigen, die ein fremdes Urheberrecht oder verwandtes Schutzrecht verletzen, also Täter, Teilnehmer und – nachrangig – Störer. Der Gastronomiebetreiber sei hier unmittelbar handelnder Täter, weil er den Zaun auf dem Platz errichtet habe. Ob die Architektin auch die Stadt hätte in Anspruch nehmen können, sei unerheblich, da mehrere Störer/Verletzer unabhängig voneinander haften würden.

Am Ende wird allerdings – ungeachtet der grundsätzlich bestehenden Urheberrechtsschutzfähigkeit – die Klage der Architektin gegen den Gastronomiebetreiber gleichwohl abgewiesen. Denn die vorzunehmende Interessenabwägung zwischen den Interessen des Urhebers einerseits und den Interessen des Eigentümers des Platzes, hier der Stadt, andererseits, geht zugunsten der Stadt aus. Insbesondere weil der Platz auch für Drogenhandel und -konsum genutzt wurde, habe die Stadt ein berechtigtes Interesse an einer veränderten Gestaltung.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck