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 Intensität der Beratungspflicht gegenüber rechtskundigen Auftraggeber?


Eine grundsätzlich dem Auftraggeber gegenüber bestehende Pflicht auch zur Rechtsberatung in einzelnen Bereichen kann entfallen, wenn dem Auftraggeber aus objektiver Sicht zu unterstellen ist, dass er selbst über ausreichende rechtliche Kenntnisse verfügt.


Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Der Architekt ist in seiner Funktion als Sachwalter des Bauherrn diesem gegenüber zur umfassenden Beratung und Aufklärung während des gesamten Vertragsverhältnisses verpflichtet.

Fraglich ist, inwieweit diese Beratung auch rechtliche Fragen umfassen darf und muß.
Beispiel
(nach OLG Dresden , - Urteil vom 07.12.2017 Az. 10 U 245/17; BGH, Beschluss vom 15.04.2020 – VII ZR 5/18 – NZB zurückgewiesen)
Ein Bauträger projektiert ein Vorhaben größeren Zuschnittes (spätere Gesamtfertigstellungskosten rund € 8.100.000,00). Er beauftragt einen Architekten mit den Leistungsphasen 1 - 8. Für die Bauausführung wird eine polnische Baufirma zu einem Pauschalpreis beauftragt. Aufgrund von Schwierigkeiten mit dem Bauunternehmen werden seitens des Bauträgers nach und nach einzelne Gewerke aus dem Pauschalvertrag herausgelöst und anderweitig vergeben. Schließlich stellt die Baufirma ihre Arbeiten endgültig ein. Schadensersatzansprüche wegen Mehrkosten, die dem Bauträger durch die Vergabe an Drittfirmen entstehen, kann dieser gegenüber der polnischen Baufirma nicht geltend machen, weil unterlassen wurde, dieser Baufirma unter Kündigungsandrohung Fristen zur Vertragserfüllung zusetzen, vgl. § 5 Abs. 4 VOB/B. Nunmehr macht der Bauträger entsprechend Ansprüche gegenüber dem beauftragten Architekten geltend mit der Argumentation, dieser habe seine Beratungspflichten ihm, dem Bauträger, gegenüber nicht erfüllt.

Das Oberlandesgericht Dresden folgte der Argumentation des Bauträgers nicht und lässt die Berufung scheitern. Ein Architekt sei zwar insoweit grundsätzlich zur rechtlichen Beratung verpflichtet, als er darauf hinzuwirken habe, dass die notwendigen Schritte ergriffen werden, um Schadensersatzansprüche gegenüber Bauunternehmen zu erhalten (vgl. BGH, Urteil vom 02.12.1982 sowie Urteil des OLG Brandenburg vom 27.04.2005). Unter besonderen Umständen könne der Architekt allerdings von dieser Beratungspflicht befreit sein, etwa dann, wenn der Bauherr selbst die erforderliche Sachkunde besitze. Von einer solchen Sachkunde sei vorliegend auszugehen, so das Gericht: Wenn die Klägerin als Bauträgerin bei Projekten dieser Größenordnung auf dem deutschen Markt tätig werde, sei aus objektiver Sicht anzunehmen, dass sie über ausreichende kaufmännische – die Klägerin tritt in der Rechtsform der GmbH auf – und auch rechtliche Kenntnisse verfüge. Die Bauträgerin könne nicht sämtliche Entscheidungen und damit ihr unternehmerisches Risiko auf den Beklagten verlagern.


Hinweis
Ein Architekt bewegt sich im Hinblick auf die Thematik Rechtsberatung des Bauherrn auf einem schmalen Grat: Ein Zuviel an Rechtsberatung kann schnell zu einem Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz führen (vgl. z.B. Urteil des OLG Koblenz vom 04.12.2019 oder OLG Koblenz, Beschluss vom 07.05.2020), ein Zuwenig an Rechtsberatung zu einem Schadenersatzanspruch gegenüber dem Bauherrn (vgl. oben Urteile des BGH und des OLG Brandenburg). Grundsätzlich ist dem Architekten nach diesseitiger Ansicht zu raten, im Hinblick auf die Rechtsverhältnisse zwischen Bauherrn und Bauunternehmer eine rechtliche Beratung des Bauherrn schon vorzunehmen (möglichst schriftlich und nachweisbar), nicht aber etwa selbst Bauverträge auszuarbeiten, Fristen zu setzen, Kündigungsandrohung auszusprechen oder gar zu kündigen.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck