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Widerruf eines per E-Mail abgeschlossenen Architektenvertrages durch Verbraucher möglich!

Bei einem "Fernabsatzvertrag" hat der Verbraucher ein Widerrufsrecht; ein Fernabsatzvertrag liegt vor, wenn die Parteien für den Vertragsschluss ausschließlich per Fernkommunikationsmittel kommuniziert haben.

Hintergrund
Haben Architekt und Bauherr einen Vertrag geschlossen, prägt dieser wesentlich das Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien.

Um rechtliche Wirkungen entfalten zu können, muß ein Vertrag wirksam zustande gekommen sein.

Gründe für die Unwirksamkeit eines Vertragsschlusses können sich aus vielfachen Umständen ergeben, bei einem Architektenvertrag insbesondere auch aus:
- einem Widerruf gem. §§ 312 ff. BGB
Beispiel
(nach Landgericht Frankfurt a. M. , Urt. v. 26.06.2023 - 2-26 O 144/22)
Ein Ehepaar (der Mann ist Rechtsanwalt) schließt mit einem Architekten einen Vertrag betreffend den An- und Umbau eines Einfamilienhauses zu einem Dreifamilienhaus per E-Mail. Gegenstand des Vertrages ist die Überarbeitung einer Genehmigungsplanung eines zuvor beauftragten Architekten sowie daran anschließend die Ausführungsplanung. Eine Widerrufsbelehrung seitens des Architekten ist im Rahmen des Vertragsschlusses nicht erfolgt. Das Geschäftsverhältnis zudem zuvor beauftragten Architekten war durch die Eheleute durch Widerruf beendet worden.

Im Anschluss an den Vertragsschluss überarbeitete der Architekt die Genehmigungsplanung und stellte hierfür Rechnungen in Höhe von rund Euro 23.000, die das Ehepaar zahlt. Etwa fünf Monate nach Vertragsschluss erklären die Eheleute den Widerruf des Vertrages und fordern die gezahlten Euro 23.000 zurück. Unstreitig scheint zu sein, dass die Eheleute die Planungsleistungen des Architekten jedenfalls teilweise gegenüber der Bauaufsichtsbehörde verwertet haben. Unter anderem hierrauf beruft sich der Architekt zu seiner Verteidigung.

Das Landgericht Frankfurt gibt der Rückzahlungsklage statt. Es legt seiner Entscheidung die BGB-Vorschriften zum Fernabsatzvertrag zu Grunde. Danach hat ein Verbraucher ein Widerrufsrecht, wenn er einen Fernabsatzvertrag geschlossen hat. Fernabsatzverträge sind gemäß § 312c BGB Verträge, bei denen der Unternehmer und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Danach sei auch ein per E-Mail abgeschlossener Architektenvertrag ein Fernabsatzgeschäft, wenn die Parteien für den Vertragsschluss ausschließlich per Fernkommunikationsmittel kommuniziert hätten.

Sofern sich der Architekt darauf berufe, sein Büro stelle kein "für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem" (§ 312c Abs. 1 S. 2 BGB) dar, trage er hierfür die Beweislast. Dieser Beweislast sei der Architekt allerdings nicht nachgekommen. Er habe lediglich pauschal behauptet, dass es sich bei dem Vertragsschluss mit den Klägern via E-Mail um eine Ausnahme gehandelt habe und die Verträge mit den Kunden normalerweise nicht mit Fernkommunikationsmitteln geschlossen wurden. Das reiche nicht. Darüberhinaus nimmt das Gericht Bezug auf seitens der Eheleute eingereichten Screenshots der Homepage des Architekten, wo es u. a. heißt:

"Sie kontaktieren das Team von … über die Webseite oder telefonisch. Mithilfe Ihrer ersten Angaben können wir einschätzen, welcher unser Partner-Architekten für Sie infrage kommt. Bei einem Telefongespräch oder Videocall lernen Sie den vorgeschlagenen Architekten oder Fachplaner persönlich kennen. Das Kennenlernen kann auf Wunsch auch am Ort des Bauvorhabens stattfinden."

Dies unterstreiche, dass hier allerdings ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- und Dienstleistungssystem vorliege.

Aufgrund des wirksamen Widerrufes seien die Eheleute nicht zur Zahlung des Architektenhonorars verpflichtet. Sie schuldeten auch keinen Wertersatz nach § 357a BGB. Voraussetzung für die Pflicht zum Wertersatz sei, dass der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß über die Bedingungen, Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie über die Pflicht zur Zahlung eines angemessenen Betrages für den Fall des Widerrufs informiert hat. Diese Information muss dem Verbraucher erteilt worden sein, bevor dieser von dem Unternehmer die Ausführung der Dienstleistung verlangt. Da der Architekt hier die Eheleute nicht über ihr Widerrufsrecht belehrt hatte, scheide ein Anspruch des Architekten auf Wertersatz aus.

Die Ausübung des Widerrufsrechts durch die Eheleute sei auch nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB. Alleine die Tatsache, dass die Kläger kurz nach Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages den Vertrag mit dem vorangegangenen beauftragten Architekten widerriefen, genüge für die Annahme des Rechtsmissbrauchs auch im Zusammenspiel mit der Tatsache nicht, dass es sich bei dem Ehemann um einen Rechtsanwalt handele. Denn an die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens beim Verbraucherwiderruf seien hohe Anforderungen zu stellen, weshalb dies nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden könne, wenn sich der Unternehmer als besonders schutzbedürftig darstelle oder im Fall eines besonders arglistigen oder schikanösen Verhaltens des Verbrauchers. Hiervon sei nicht auszugehen.

Dabei stehe diesem Ergebnis auch nicht entgegen, dass die Eheleute die von dem Architekten erbrachten Planungsleistungen teilweise verwerteten. Sinn und Zweck des Widerrufs sei gerade, dass der Verbraucher an keine materiellen Voraussetzungen gebunden sei und er sich in einfacher Art und Weise sowie einseitig von einem Vertrag lösen könne. Eine Motivprüfung finde in diesen Fällen gerade nicht statt. Als Ausgleich für erbrachte Leistungen stelle das Gesetz dem Unternehmer grundsätzlich ein Anspruch auf Wertersatz nach § 357a BGB zur Verfügung. Die Tatsache, dass hier Wertersatz nicht geschuldet werde, weil die Eheleute durch den Architekten nicht über ihr Widerrufsrecht belehrt worden seien, führe noch nicht zur Rechtsmissbräuchlichkeit.

Hinweis
Wie auch schon das Urteil des OLG Köln vom 23.03.2017 für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verbraucherverträgen (§ 312b BGB) zeigt und wie vorstehend kommentiertes Urteil eindrucksvoll bestätigt, können die Regelungen zum Widerrufsrecht des Verbrauchers auch für planer zu nur noch schwer nachvollziehbaren, jedenfalls möglicherweise zu desaströsen Ergebnissen führen. Da auf Vertragsschlüsse moderner Planerbüros § 312c BGB (Fernabsatzverträge) häufig anwendbar sein wird, entsteht für Verbraucher regelmäßig ein Widerrufsrecht. Umso mehr haben Planer darauf zu achten, dass sie Verbraucher immer und mit den richtigen Formularen (bei den Kammern erhältlich) über ihre Widerrufsrechte aufklären.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck