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WDVS als anspruchsvolles Gewerk überwachungspflichtig!

Ein WDVS ist ein technisch anspruchsvolles und „sensibles“ Gewerk, das neben Windkräften auch thermischen Faktoren ausgesetzt ist; der mit der Bauüberwachung beauftragte Architekt ist verpflichtet dafür zu sorgen, dass das nach der allgemeinen bauaufsichtsrechtlichen Zulassung einzuhaltende Vorgehen strikt eingehalten wird.



Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

In der Leistungsphase 8 begründet die Verletzung u.a. von Überwachungspflichten oft eine Haftung des Architekten.

Der Umfang der Überwachungspflicht richtet sich nach dem Einzelfall; Besonderheiten ergeben sich z.B. bei wichtigen und kritischen Arbeiten.
Beispiel
(nach OLG Naumburg , - Urteil vom 13.10.2021 – 2 U 29/20)
Ein Architekt wird für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit den Leistungsphasen 1-8 beauftragt. Der Architekt plant ein Wärmedämmverbundsystem. Später stellt sich heraus, dass die Putzstärken des Unterputzes/Armierungsputzes sowie auch des Oberputzes und die Lage der Gewebeeinlage nicht den Anforderungen insbesondere der bauaufsichtlichen Zulassung entsprechen. Für die Kosten einer Neuherstellung nehmen die Bauherren unter anderem den Architekten in Anspruch.

Das Oberlandesgericht Naumburg stellt fest, dass der Architekt seine Überwachungspflicht im Hinblick auf das Wärmedämmverbundsystem verletzt hat (vgl. Urteil KG Berlin v. 27.11.212). Bei der Herstellung eines Wärmedämmverbundsystems gehe es nicht um bauliche Leistungen einfacher Art, sondern um ein technisch anspruchsvolles, kompliziertes und „sensibles“ Gewerk, das neben Windkräften auch thermischen Faktoren ausgesetzt sei und dass deshalb zur Vermeidung von Rissen und insbesondere zur Gewährleistung der Standsicherheit einer besonderen Fixierung bedürfe. In der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung sei das einzuhaltende Vorgehen detailliert beschrieben. Der Architekt habe darauf zu achten, dass die Zulassungsvorgaben strikt eingehalten werden.

Zwar würden Putzarbeiten allgemein als nicht besonders überwachungsbedürftig angesehen, weil es sich bei dem Aufbringen von Putz grundsätzlich (mit Ausnahmen) um eine handwerkliche Selbstverständlichkeit handele (vgl. z.B. OLG Rostock, Urteil vom 01.11.2008 für Außenputz, OLG Dresden, Urteil vom 28.01.2010 für Innenputzarbeiten). Allerdings gehe es in solchen Fällen vorwiegend um optische Fragen, während die Putzstärken beim Wärmedämmverbundsystem auch wegen der eingebetteten Gewebeeinlagen wichtig für dessen Funktion seien.

Hinweis
Der Architekt wandte ein, dass er die Stärke des aufgebrachten Putzes während der Ausführung der Putzarbeiten durch den Unternehmer gar nicht überprüfen könne, weil der Putz eine breiige Konsistenz habe, an einem Messinstrument sei nach dem Herausziehen aus der Putzschicht nichts genaues abzulesen, im Übrigen werde durch das Eindrücken eines Messinstrumentes das in der Putzschicht eingebettete Gewebe in Richtung der Dämmplatte verschoben und dadurch ein Mangel verursacht. Das Gericht sah diese Argumentation allerdings nicht als Entlastung an, und zwar selbst dann nicht, wenn man unterstelle, dass eine Kontrolle der konkreten Putzstärken während der Ausführung möglicherweise schwierig oder unmöglich sein. Denn eine jedenfalls stichprobenartige Kontrolle sei vor und auch während der Ausführung der Putzarbeiten durch den Architekten gleichwohl möglich und geboten.

Der Architekt könne zunächst kontrollieren, ob das ausführende Unternehmen das richtige Material einsetzt und auch ausreichende Mengen der jeweiligen Putzmasse für die zu verputzende Fläche vorgesehen hat. Wegen der einzuhaltenden Mindeststärken sei auch erforderlich zu kontrollieren, ob der Unternehmer geschultes Personal einsetze, dass auch mit den richtigen Werkzeugen arbeite. Dass der Architekt solche Prüfungen vorgenommen habe, sei nicht einmal durch ihn selber vorgetragen; insoweit sei auch unbeachtlich, dass er (offenbar unstreitig) bei dem streitgegenständlichen Bauvorhaben 42 Baustellenbesuche durchgeführt habe.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck