https://www.baunetz.de/recht/Verlegereife_des_Estrichs_Welche_Verantwortung_traegt_der_Architekt__6442192.html
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Verlegereife des Estrichs: Welche Verantwortung trägt der Architekt?
Der bauaufsichtsführende Architekt ist verpflichtet, vor Verlegung von Bodenbelägen die Verlegereife eines Estrichs zu prüfen oder entsprechende Messungen zu veranlassen; er muss die Messungen nicht selbst durchführen, er muss sich aber Messprotokolle vorlegen lassen, um zu prüfen, ob Messungen in ausreichender Zahl an kritischen Stellen vorgenommen worden sind.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.
In der Leistungsphase 8 begründet die Verletzung u.a. von Überwachungspflichten oft eine Haftung des Architekten.
Der Umfang der Überwachungspflicht richtet sich nach dem Einzelfall; Besonderheiten ergeben sich z.B. bei einfachen und üblichen Arbeiten.
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.
In der Leistungsphase 8 begründet die Verletzung u.a. von Überwachungspflichten oft eine Haftung des Architekten.
Der Umfang der Überwachungspflicht richtet sich nach dem Einzelfall; Besonderheiten ergeben sich z.B. bei einfachen und üblichen Arbeiten.
Beispiel
(nach OLG Schleswig , Urt. v. 16.11.2018 - 1 U 68/12)
Ein Architekt wurde mit Planung und Bauaufsicht für das Neubauvorhaben eine Tagesklinik beauftragt. Nach dem Einbringen des Estrichs im Zeitraum bis September 2006 wurden Trocknungsgeräte aufgestellt. In einem auf den 04.10.2006 datierten Baustellenprotokoll hielt der Architekt fest, dass am 27.09.2006 eine Restfeuchte von 3,5 % festgestellt worden sei. Nach einer späteren Mitteilung habe eine Kontrollmessung vom 05.10.2006 ergeben, dass der Estrich mit Werten von unter 2 % Restfeuchte verlegereif gewesen sei. Die Bodenbeläge wurden nach dem 05.10.2006 verlegt. Später stellt ein Sachverständiger in fünf Räumen erhöhte Feuchtigkeit im Estrich und Schimmelpilzbefall fest. Nach Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens wird der Fußbodenaufbau im gesamten Gebäude ausgetauscht. Die Bauherrin macht Schadensersatz in Höhe von mehr als € 250.000,00 gegenüber dem Architekten geltend.
Das Oberlandesgericht Schleswig weist die Klage der Bauherrin gegen den Architekten ab. Der bauaufsichtführende Architekt sei verpflichtet, vor der Verlegung von Bodenbelägen die Verlegereife zu prüfen (vgl. schon OLG Oldenburg, Urteil v. 07.07.1999) oder entsprechende Messungen zu veranlassen. Er müsse die Messungen nicht selbst durchführen, er müsse aber sich die Meßprotokolle vorlegen lassen, um zu prüfen, ob Messungen in ausreichender Zahl an kritischer Stelle vorgenommen worden sein. Danach habe hier der Architekt seine Überwachungspflicht genüge getan. Es sei unstreitig, dass der Architekt mehrere Messungen hat durchführen lassen und zunächst wegen der fehlenden Verlegereife angeordnet hat, mit der Verlegung der Bodenbeläge noch nicht zu beginnen. Der Senat sei zudem aufgrund der Aussage von mehreren Zeugen davon überzeugt, dass am 05.10.2006 in Gegenwart des Architekten vier Messungen der Feuchtigkeit im Estrich vorgenommen wurden und diese jeweils einen Wert von unter 2 % ergaben.
(nach OLG Schleswig , Urt. v. 16.11.2018 - 1 U 68/12)
Ein Architekt wurde mit Planung und Bauaufsicht für das Neubauvorhaben eine Tagesklinik beauftragt. Nach dem Einbringen des Estrichs im Zeitraum bis September 2006 wurden Trocknungsgeräte aufgestellt. In einem auf den 04.10.2006 datierten Baustellenprotokoll hielt der Architekt fest, dass am 27.09.2006 eine Restfeuchte von 3,5 % festgestellt worden sei. Nach einer späteren Mitteilung habe eine Kontrollmessung vom 05.10.2006 ergeben, dass der Estrich mit Werten von unter 2 % Restfeuchte verlegereif gewesen sei. Die Bodenbeläge wurden nach dem 05.10.2006 verlegt. Später stellt ein Sachverständiger in fünf Räumen erhöhte Feuchtigkeit im Estrich und Schimmelpilzbefall fest. Nach Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens wird der Fußbodenaufbau im gesamten Gebäude ausgetauscht. Die Bauherrin macht Schadensersatz in Höhe von mehr als € 250.000,00 gegenüber dem Architekten geltend.
Das Oberlandesgericht Schleswig weist die Klage der Bauherrin gegen den Architekten ab. Der bauaufsichtführende Architekt sei verpflichtet, vor der Verlegung von Bodenbelägen die Verlegereife zu prüfen (vgl. schon OLG Oldenburg, Urteil v. 07.07.1999) oder entsprechende Messungen zu veranlassen. Er müsse die Messungen nicht selbst durchführen, er müsse aber sich die Meßprotokolle vorlegen lassen, um zu prüfen, ob Messungen in ausreichender Zahl an kritischer Stelle vorgenommen worden sein. Danach habe hier der Architekt seine Überwachungspflicht genüge getan. Es sei unstreitig, dass der Architekt mehrere Messungen hat durchführen lassen und zunächst wegen der fehlenden Verlegereife angeordnet hat, mit der Verlegung der Bodenbeläge noch nicht zu beginnen. Der Senat sei zudem aufgrund der Aussage von mehreren Zeugen davon überzeugt, dass am 05.10.2006 in Gegenwart des Architekten vier Messungen der Feuchtigkeit im Estrich vorgenommen wurden und diese jeweils einen Wert von unter 2 % ergaben.
Hinweis
Das Gericht setzte sich darüber hinaus mit der Frage auseinander, ob Umstände vorgelegen hätten, die den Architekten hätten veranlassen müssen, die von den Zeugen gemessenen Werte (unter 2 %) kritisch zu hinterfragen.
Die Estrichscholle sei nicht unüblich dick gewesen, der Architekt habe so nicht mit einer deutlich längeren Trocknungszeit als üblich rechnen müssen. Der bloße Umstand, dass Trocknungsgeräte aufgestellt worden seien, sei auch kein Brandzeichen. Dass bei der Verlegung des Estrichs ein Schnellbinder verwendet worden sei, musste ebenfalls nicht zu besonderer Vorsicht mahnen. Aufgrund der Verwendung eines Schnellbinders sei nicht zu erwarten, dass eine Messung dahin beeinflusst werde, dass sie einen zu niedrigen Wert ergibt.
Schließlich war nach Ansicht des Oberlandesgerichts Schleswig auch die seit dem 27.09.2006 verstrichene Zeit kein Warnzeichen. Die Bauherrin hatte noch damit argumentiert, dass es ausgeschlossen sei, dass die Feuchtigkeit innerhalb von 8 Tagen von 3,5 % auf 2,2 % sinkt. Der Sachverständige hatte dies zwar als unwahrscheinlich, allerdings nicht als unmöglich erachtet. Je nach den damaligen (nicht mehr feststellbaren) Witterungsverhältnissen sei es denkbar gewesen, dass die von den Zeugen gemessenen Werte erreicht worden seien.
Im Ergebnis hat der Architekt hier wohl ein bisschen Glück gehabt. Das Urteil hätte wohl auch anders ausfallen können. Insbesondere der sehr kurze Zeitraum wäre vielleicht doch Anlass gewesen, die Messungen zu hinterfragen oder jedenfalls mehr Messungen durchzuführen. Bei verbleibenden Zweifeln wäre wohl eine Aufklärung des Bauherrn richtig gewesen: Immerhin muss es im Entscheidungsbereich des Bauherrn liegen, ob er eine gewisse Verzögerung des Bauvorhabens hinnimmt, um eine absolut sichere Belegungsreife zu erhalten, oder ob er das Restrisiko einer Restfeuchte im Estrich in Kauf nimmt, um Zeit zu sparen. Der Architekt jedenfalls sollte ein solches Risiko grundsätzlich nicht tragen.
Das Gericht setzte sich darüber hinaus mit der Frage auseinander, ob Umstände vorgelegen hätten, die den Architekten hätten veranlassen müssen, die von den Zeugen gemessenen Werte (unter 2 %) kritisch zu hinterfragen.
Die Estrichscholle sei nicht unüblich dick gewesen, der Architekt habe so nicht mit einer deutlich längeren Trocknungszeit als üblich rechnen müssen. Der bloße Umstand, dass Trocknungsgeräte aufgestellt worden seien, sei auch kein Brandzeichen. Dass bei der Verlegung des Estrichs ein Schnellbinder verwendet worden sei, musste ebenfalls nicht zu besonderer Vorsicht mahnen. Aufgrund der Verwendung eines Schnellbinders sei nicht zu erwarten, dass eine Messung dahin beeinflusst werde, dass sie einen zu niedrigen Wert ergibt.
Schließlich war nach Ansicht des Oberlandesgerichts Schleswig auch die seit dem 27.09.2006 verstrichene Zeit kein Warnzeichen. Die Bauherrin hatte noch damit argumentiert, dass es ausgeschlossen sei, dass die Feuchtigkeit innerhalb von 8 Tagen von 3,5 % auf 2,2 % sinkt. Der Sachverständige hatte dies zwar als unwahrscheinlich, allerdings nicht als unmöglich erachtet. Je nach den damaligen (nicht mehr feststellbaren) Witterungsverhältnissen sei es denkbar gewesen, dass die von den Zeugen gemessenen Werte erreicht worden seien.
Im Ergebnis hat der Architekt hier wohl ein bisschen Glück gehabt. Das Urteil hätte wohl auch anders ausfallen können. Insbesondere der sehr kurze Zeitraum wäre vielleicht doch Anlass gewesen, die Messungen zu hinterfragen oder jedenfalls mehr Messungen durchzuführen. Bei verbleibenden Zweifeln wäre wohl eine Aufklärung des Bauherrn richtig gewesen: Immerhin muss es im Entscheidungsbereich des Bauherrn liegen, ob er eine gewisse Verzögerung des Bauvorhabens hinnimmt, um eine absolut sichere Belegungsreife zu erhalten, oder ob er das Restrisiko einer Restfeuchte im Estrich in Kauf nimmt, um Zeit zu sparen. Der Architekt jedenfalls sollte ein solches Risiko grundsätzlich nicht tragen.
Verweise
Haftung / Lph 8-9 Überwachungspflichten / einfache u. übliche Arbeiten
Haftung / Lph 8-9 Überwachungspflichten / wichtige und kritische Arbeiten
Haftung / Lph 8-9 Überwachungspflichten / einfache u. übliche Arbeiten
Haftung / Lph 8-9 Überwachungspflichten / wichtige und kritische Arbeiten
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck