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Objektbegehung: Welche Untersuchungspflichten obliegen dem Architekten?

Die Untersuchung im Rahmen der Objektbegehung hat in zumutbarer Weise zu erfolgen, d.h. durch Besichtigung, Überprüfung der Funktion, Befühlen usw.; nähere Untersuchungen, gegebenenfalls mit Untersuchungsgeräten oder durch Einschaltung von Sachverständigen  sind nur dann angezeigt, wenn Anhaltspunkte für Mängel vorliegen.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

In der Leistungsphase 8 begründet die Verletzung u.a. von Überwachungspflichten oft eine Haftung des Architekten.

Besondere Pflichten ergeben sich aus der Übernahme der Objektbetreuung und Dokumentation.
Beispiel
(nach OLG Braunschweig , Urt. v. 29.12.2016 - 8 U 2/16)
Ein Architekt wurde mit den Leistungsphasen 1-9 nach HOAI beauftragt. In dem Architektenvertrag ist geregelt, dass die Verjährung für Pflichtverletzungen des Architekten in den Leistungsphasen 1-8 ab dem Zeitpunkt der Übergabe des Gebäudes verjähren, Pflichtverletzungen nach Übergabe des Gebäudes mit Erfüllung der letzten Leistungshandlung. Das Objekt wird im Jahre 2003 fertig gestellt und übergeben. Im Rahmen seiner Leistungsphase 9 unterlässt der Architekt eine Objektbegehung zum Zeitpunkt des Ablaufes der Gewährleistungsansprüche gegenüber den Bauunternehmern. Im Jahr 2011 wird ein Baumangel bekannt: Eine Dampfbremse im Dach ist fehlerhaft ausgeführt worden. Die Bauherrin verklagt den Architekten auf Schadensersatz.

Das Oberlandesgericht Braunschweig weist die Klage der Bauherrin ab. Es liege zwar eine Pflichtverletzung in der Leistungsphase 8 vor, da der Architekt den vorliegenden Mangel im Rahmen seiner Objektüberwachung bei dem wichtigen und kritischen Gewerk Dachabdichtung hätte verhindern müssen; allerdings seien aufgrund der vertraglichen Vereinbarung Ansprüche in Folge von Pflichtverletzungen aus der Leistungsphase 8 bereits verjährt (siehe hierzu auch Parallelbesprechung). Soweit die Bauherrin sich darauf berufe, der Architekt habe auch in der Leistungsphase 9 seine Pflichten durch Unterlassung der Objektbegehung verletzt, so sei dies ebenfalls richtig. Allerdings haben die verschiedenen Pflichtverletzungen nicht kausal zu dem hier entstandenen Schaden geführt.
 
Werde keine Objektbegehung durchgeführt und werde der Architekt daraufhin vom Bauherrn auf Schadensersatz wegen eines Baumangels in Anspruch genommen, müsse dieser darlegen und beweisen, dass der Mangel bei rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Begehung festgestellt worden wäre. Hier könne aber gerade nicht festgestellt werden, dass bei einer ordnungsgemäßen Objektbegehung die hier vorliegenden Baumängel entdeckt worden wären. Die Untersuchung im Rahmen der Objektbegehung habe in zumutbarer Weise zu erfolgen, d.h. durch Besichtigung, Überprüfung der Funktionen, usw.; nähere Untersuchungen gegebenenfalls durch Einschaltung von Sachverständigen oder mit Untersuchungsgeräten seien allerdings nur angezeigt, wenn Anhaltspunkte für Mängel vorhanden seien. Hier konnte der Mangel, die unfachgerecht verlegte Dampfbremse, durch die bloße Besichtigung nicht erkannt werden, da man den Mangel erst nach Öffnen der Unterdecke sehen konnte. Das Abbauen, also das Zerstören einer Unterdecke allein zum Zwecke der Überprüfung, ob das Dach dicht sei, sei aber nicht Aufgabe der Objektbegehung.
Hinweis
Bereits das OLG Dresden hatte mit Urteil vom 07.06.2010 klargestellt, dass den Architekten im Rahmen der Objektbegehung im Regelfall ohne konkrete Anhaltspunkte keine Pflicht treffe, das von ihm geplante und unter seiner Bauleitung errichtete Bauwerk auf versteckte Mängel zu untersuchen.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck