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Mindestsatzklagen scheitern!

Nach der Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019 kann sich eine Partei nach Ansicht des OLG Celle auch in laufenden Architektenhonorarprozessen nicht mehr auf eine Unter- bzw. Überschreitung der Mindest- bzw. Höchstsätze gemäß HOAI berufen.


Hintergrund
Macht der Architekt einen Honoraranspruch geltend, müssen für eine erfolgreiche Durchsetzung des Anspruchs verschiedene Voraussetzungen vorliegen.

Ist die HOAI anwendbar, ergibt sich das Honorar des Architekten in erster Linie aus einer im Rahmen der HOAI-Vorschriften getroffenen Honorarvereinbarung.

Voraussetzung einer wirksamen Honorarvereinbarung ist u.a. die Einhaltung der Mindestsätze und Höchstsätze.
Beispiel
(nach OLG Celle , Urt. v. 17.07.2019 - 14 U 188/18 (nicht rechtskräftig))
Eine Auftragnehmerin macht Honorarforderungen aus 5 Ingenieurverträgen aus den Jahren 2010-2014 in Höhe von rund € 600.000,00 gegenüber dem Auftraggeber geltend. Die Honorarnachforderungen werden damit begründet, dass die seinerzeit vereinbarten (und dann auch gezahlten) Honorare die Mindestsätze unterschreiten würden, bei richtiger Berechnung des Mindestsatzes ergäbe sich die eingeklagte Honorarrestforderung. Die Auftraggeberin beruft sich insbesondere darauf, dass die Nachforderung gegen Treu und Glauben verstieße und die Auftragnehmerin an die – etwaig – mindestsatzunterschreitende Honorarvereinbarung jedenfalls gebunden sei.

Das Oberlandesgericht Celle weist die Klage ab. Es folgt der Auftragnehmerin in der Argumentation und erkennt auch eine Bindung an die mindestsatzunterschreitenden Honorarvereinbarungen. Darüber hinaus stellt das Oberlandesgericht Celle klar, dass die Mindestsatzklage nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 04.07.2019 (vergleiche diesseitiger Beitrag Tipps und mehr/Honorar) ohnehin scheitere. Infolge der Entscheidung sei die Verbindlichkeit des HOAI-Preisrechtes hinfällig geworden. Die Mindest- und Höchstsätze der HOAI seien Europa-rechtswidrig. Wegen des Anwendungsvorbehaltes des Europarechts seien die Gerichte verpflichtet, die für Europa rechtswidrig erklärten Regelungen der HOAI nicht mehr anzuwenden. Die Entscheidung des EuGH sei auch in laufenden Verfahren umzusetzen. Da der EuGH für alle Mitgliedstaaten verbindlich das Recht der Europäischen Union auslege, gelte eine davon betroffene Norm nur nach Maßgabe des Rechtes der Europäischen Union, so wie sie durch die im EuGH Urteil verkündete Auslegung zu verstehen sei, in allen Mitgliedstaaten.


Hinweis
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes ist noch jung, da werden die wichtigen Konsequenzen bereits sichtbar: Mindestsatzklagen von Architekten (und gegebenenfalls Höchstsatzklagen von Bauherrn bei Überschreitungen der Höchstsätze durch Honorarvereinbarungen) könnten nunmehr scheitern (vergleiche hierzu auch diesseitiger Beitrag unter Tipps und mehr/Honorar). Endgültig entschieden ist die Frage aber noch nicht (vgl. Urteil OLG Hamm vom 23.07.2019) .


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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck