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Kostenvorstellung beim Bauherrn erfragen: Wann darf Architekt hierauf verzichten?

Der Architekt ist nicht gehalten, in der Grundlagenermittlung Kostenvorstellungen zu erfragen oder eine Kostenschätzung zu erstellen, wenn dem Unternehmer-Auftraggeber aufgrund einer vorangegangenen Planung eines anderen Architektenbüros die finanzielle Dimension des Bauvorhabens bekannt ist.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Ein Sonderbereich der Architektenhaftung stellt die Haftung für Bausummenüberschreitungen dar.

Voraussetzung einer Haftung wegen Bausummenüberschreitung ist zunächst eine Pflichtverletzung des Architekten.
Beispiel
(nach OLG München, Beschlüsse vom 04.02.2022 und 23.05.2022 – 20 U 6700/21 Bau, BGH, Beschluss vom 10.04.2024 – VII ZR 116/22 – NZB zurückgewiesen , )
Ein Bauherr beabsichtigt u. a. zur Erweiterung seines Gewerbebetriebes die Errichtung eines Mehrparteienwohnhauses mit Gewerbeflächen, eines Betriebsleiter-Wohnhauses und eines Lagergebäudes mit Gewerbeflächen. Ein Architekt erstellt im Rahmen einer Bauvoranfrage eine Planung, deren Kosten mit "deutlich über Euro 4 Millionen" angegeben wird, die sich dann aber (aus anderen als aus Kostengründen) als nicht realisierbar herausstellt. Nunmehr wird ein zweiter Architekt mit dem gleichen Vorhaben beauftragt mit der Maßgabe, dass die Planung im Bauvolumen und um eine Tiefgarage verringert werden soll. Der zweite Architekt erarbeitet eine Entwurfsplanung und eine Kostenberechnung, welche Gesamtkosten von Euro 4,65 Millionen netto ausweist. Der Bauherr verfolgt das Bauvorhaben anschließend nicht weiter. Ein Honorar für die Leistungsphasen 1-3 will er an den Architekten nicht zahlen u. a. mit Hinweis auf das Urteil des BGH vom 21.03.2013 und der Begründung, seine Kostenvorstellungen seien in der Grundlagenermittlung durch den Architekten nicht erfragt worden.

Das OLG München gibt der Honorarklage des Architekten für die Leistung 1-3 statt. Der Architekt sei hier nicht gehalten gewesen, im Rahmen der Grundlagenermittlung die Kostenvorstellungen und wirtschaftlichen Möglichkeiten des Beklagten aufzuklären. Anders als in dem vom Bauherrn zitierten Urteil des BGH sei der Bauherr hier als Unternehmer tätig, das Bauvorhaben diente u. a. seiner gewünschten Betriebserweiterung. Zudem habe dem Bauherrn bereits eine Planung für sein Vorhaben vorgelegen, welches mit deutlich über Euro 4 Millionen beziffert worden sei. Vor diesem Hintergrund seien auch die Kostenschätzung und die in Leistungsphasen 2 und 3 vorgesehenen Kostenkontrollen entbehrlich gewesen (die der Architekt hier auch nicht erbracht hatte).

Hinweis
Mit dem oben zitierten Urteil des BGH hat dieser richtigerweise klargestellt, dass Architekten grundsätzlich die Kostenvorstellungen und Budgetgrenzen ihres Bauherrn zu Beginn der Zusammenarbeit zu erfragen haben. Es stellt bereits eine Pflichtverletzung dar, wenn ein Architekt ohne die Kostenvorstellungen des Bauherrn oder etwaige Budgetgrenzen erfragt zu haben, mit der Planung beginnt. Dies gilt – so hat der BGH in seinem zitierten Urteil herausgestellt – insbesondere gegenüber privaten Bauherrn.

Allerdings sei allen Architekten empfohlen, gegenüber sämtlichen Bauherrn, auch gewerblichen oder professionellen, deren Kostenvorstellungen und etwaige Budgetgrenzen zu Beginn der Zusammenarbeit nachweislich zu besprechen und zu erfragen. Das OLG Düsseldorf hat eine Pflichtverletzung eines Architekten auch gegenüber einem gewerblichen Bauherrn angenommen, weil der Architekt die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Bauherrn nicht frühzeitig mit dem Bauherrn zusammen aufgeklärt und abgestimmt hatte (Urteil vom 27.02.1997).

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck