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Kostenschätzung muss unter Umständen Risiken der Schätzungsgrundlage offenlegen

Eine Kostenschätzung eines Architekten ist, soweit es um eine Investitionsentscheidung des Bauherrn geht, dann nicht als pflichtgemäß zu werten, wenn sie die Risiken der Schätzungsgrundlage nicht offenlegt.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Ein Sonderbereich der Architektenhaftung stellt die Haftung für Bausummenüberschreitungen dar.

Voraussetzung einer Haftung wegen Bausummenüberschreitung ist zunächst eine Pflichtverletzung des Architekten.

Beispiel
(nach OLG Hamm , Urt. v. 15.03.2018 - I - 21 U 22/17)
Ein Architekt wird mit der Planung für einen Anbau an ein bestehendes Gebäude beauftragt. Nach einer Kostenschätzung des Architekten betragen die Baukosten in der bereits preiswerteren Variante € 210.000,00. Dem Architekten ist dabei bekannt, dass dem Bauherrn nur begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, ein weit überwiegender Teil des Bauvorhabens Kredit finanziert ist. In der Kostenschätzung stellt der Architekt klar, dass nicht alle für eine präzise Berechnung der Kosten erforderlichen Parameter bekannt sind. Später steigen die Kosten schon während der Bauausführung erheblich, so dass das Bauvorhaben abgebrochen wird. Der Bauherr nimmt den Architekten auf Aufwendungsersatz unter Anrechnung des Wertes des halbfertig gestellten Gebäudes in Anspruch. Der Architekt meint, er hätte hinreichend auf die Risiken hingewiesen.
 
Das OLG Hamm verurteilt den Architekten weitgehend. Die Kostenschätzung eines Architekten sei, jedenfalls wenn es um eine Investitionsentscheidung des Bauherrn gehe, bereits dann nicht als pflichtgemäß zu werten, wenn sie die Risiken der Schätzungsgrundlage nicht offenlege. Bestehe in Folge der Ungenauigkeit der Schätzung eine Toleranz, innerhalb derer auch höherer als die geschätzten Kosten realistisch sein,  müsse der Bauherr, wenn er durch innerhalb dieses Kostenrahmens mögliche Kosten überfordert würde, über die Schätzungsbreite aufgeklärt werden. An einer entsprechenden Aufklärung fehle es hier. Der Architekt habe zwar erklärt, dass nicht alle für eine präzise Berechnung der Kosten erforderlichen Parameter bekannt sein, habe aber weder den Grad für die Ungenauigkeit seiner Schätzung noch die konkrete Bandbreite der sich danach als immer noch realistisch ergebenden Gesamtkosten angegeben. Eine richtige Einschätzung der mit der Investitionsentscheidung für die Realisierung des Darlehen finanzierten Bauvorhabens verbundenen Risiken wurde dem Bauherrn damit nicht ermöglicht.
Hinweis
Architekten werden gut daran tun, die Unsicherheit ihrer Erklärungen allgemein, insbesondere aber im Kostenbereich, d. h. betreffend Kostenschätzung, Kostenberechnung etc., dem Bauherrn (nachweisbar) mitzuteilen. Jedenfalls bei Laien-Bauherren (nicht ausschließbar aber auch bei professionellen Bauherrn) kann nicht immer damit gerechnet werden, dass diese sich im Einzelnen über die Ungenauigkeiten der Schätzung und die Bandbreite der sich noch als realistisch ergebenden Gesamtkosten richtig vor Augen haben. Bei einer Kostenschätzung wird allgemein gelten, dass diese für eine echte Investionsentscheidung ohnehin keine belastbare Grundlage darstellen kann; hierauf ist der Bauherr hinzuweisen.

Kontakt
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die Kanzlei:
Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck