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Kostenerstattung privater Sachverständigengutachten im Bau- und Architektenprozess?

Architekten stellt sich zunehmend für den eigenen Honorarprozess wie auch im Rahmen ihrer Tätigkeit für den Bauherrn und dessen Bauprozess die Frage der Beauftragung eines privaten Sachverständigengutachtens. Entscheidungserheblich ist dabei auch die Frage, ob die damit einhergehenden Kosten von der Gegenseite zu erstatten sind.
Hintergrund
Bau- und Architektenprozesse beschäftigen in unverminderter Intensität die Gerichte. Die Darstellung technisch schwieriger Sachverhalte nimmt ungeachtet der Symptomrechtsprechung des BGH eine ganz erhebliche Bedeutung ein.

Private Sachverständigengutachten gelten als qualifizierter Parteivortrag, den das Gericht trotz vorliegenden gerichtlichen Gutachtens zu werten hat (BGH Urteil vom 25.03.1993, VII ZR 280/91, Baurecht 1993, 500). Das Privatgutachten kann als Urkunde verwendet werden, wenn das Gericht von seinem Inhalt überzeugt ist. Der Privatsachverständige kann als „sachverständiger“ Zeuge dienen. Abwägungskriterien für die Frage, ob ein privates Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben wird, sind Eilbedürftigkeit, gerichtliche Verwertbarkeit, Kosten und Sachkunde, letzteres insbesondere auch dann, wenn Ausforschung notwendig ist, um Mängel zu erkennen.
Hinweis

Stets stellt sich auch die Frage, ob die bisweilen nicht unbeachtlichen Kosten des Privatgutachtens dem Grunde nach erstattet werden.

1. Zwei Wege der Kostenerstattung.
Grundsätzlich wird zwischen der Geltendmachung der Kosten des privaten Sachverständigengutachtens als materiellen Schadensersatzposten im Rahmen einer Klage einerseits und als formelle Kostenposition im Rahmen der festzusetzenden Kosten des Prozesses, d.h. neben Rechtsanwalts- und Gerichtskosten usw., unterschieden. Beide Möglichkeiten der Geltendmachung der Kosten stehen nach überwiegender Ansicht alternativ zur Verfügung. Regelmäßig wird hier der mit der Klage beauftragte Rechtsanwalt die Vorzüge einer Entscheidung für den einen oder anderen Weg darlegen. Im übrigen ist eine Partei nicht daran gehindert, die Kosten eines Privatgutachtens als Prozessvorbereitungskosten im Kostenfestsetzungsverfahren anzumelden, wenn das Prozessgericht zuvor den auf eine materielle Anspruchsgrundlage gestützten Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich eines Privatgutachtens abweist.

Tipp:
Die Geltendmachung als materielle Schadensposition im Prozess versuchen, da bei Misserfolg jedenfalls noch der alternative Weg über die Kostenfestsetzung beim Rechtspfleger offen steht und an den vom Richter im Prozess zu prüfenden materiellen Anspruch zum Teil geringere Ansprüche gestellt werden als an den vom Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfenden formalen Erstattungsanspruch.

2. Vorprozessuale und prozessbegleitende Privatgutachten.
Für den Architekten und seinen Bauherrn ist maßgeblicher die Frage, ob die Kosten in den jeweiligen Fallgestaltungen grundsätzlich auch unabhängig vom Zeitpunkt der Beauftragung erstattungsfähig sind. Bezugspunkt ist der bevorstehende oder laufende Prozess. Unterschieden wird zwischen vorprozessualen, d.h. außergerichtlich zur Vorbereitung auf den Prozess, und innerprozessualen, d.h. prozessbegleitend zur Reaktion auf den laufenden Prozess, erstellte Privatgutachten.

Im Ergebnis sind die Unterschiede zwischen den außergerichtlichen und prozessbegleitenden Privatgutachten in der Rechtsrealität der gerichtlichen Entscheidungen kaum mehr fassbar. Mit gebotener Vorsicht kann von einer rein dogmatischen Trennung gesprochen werden. Im Hinblick auf Privatgutachten, die im Laufe eines Prozesses prozessbegleitend eingebracht werden, soll ein strengerer Maßstab gelten, weil es Sache des Gerichtes sei, Beweiserhebungen durch Einholung von Sachverständigengutachten durchzuführen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.11.2001 -8 W 481/01-, Baurecht 2002, 665).

Eine echte Ausnahme bilden allein private Sachverständigengutachten, die für ein Eilverfahren – einstweilige Verfügung – erstellt werden. Dort sollen weniger strenge Anforderungen gelten, da unter anderem andere Beweisregeln als in den ordentlichen Verfahren gelten.

3. Voraussetzungen der Erstattungsfähigkeit mit Fallbeispielen.
Maßstab für die Erstattungsfähigkeit der Kosten von Privatgutachten im Bau- und Architektenprozess bildet mit dogmatischen Abzügen die prozessuale Kostenregelung sowohl für den materiellen Weg über Schadensersatz als auch über den formalen Weg der Prozesskosten; sowohl für außergerichtliche, als auch prozessbegleitende Privatgutachten. Es wird allerdings die Ansicht vertreten, dass die materiellen Schadensersatzansprüche, die vom Richter im Rahmen des Prozesses abzuhandeln sind, weniger strenge Anforderungen zu stellen sind als an die formale Geltendmachung des Erstattungsanspruches über die Prozesskosten, worüber durch den Rechtspfleger zu entscheiden ist (Vergleiche Tipp oben: Vorzug für den materiellen Weg der Erstattung der Kosten im Prozess).

Das Privatgutachten muss zur sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Parteien im Prozess erforderlich sein und die Aufwendungen zur Erlangung dieses Gutachtens müssen notwendig sein.

Daraus ergeben sich folgende Grundsätze: Geeignetheit, Prozessbezogenheit und Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit der Hinzuziehung des privat beauftragten Sachverständigengutachtens.

3.1. Geeignetheit

Wird das Privatgutachten verwertet, ist es prozessfördernd und in jedem Fall geeignet dem Prozess zu dienen. Nach überwiegender – allerdings umstrittener – Ansicht kommt es hingegen auf die Prozessförderung, Verwertung durch das Gericht oder Beeinflussung der Entscheidungsfindung des Gerichtes durch das Privatgutachten nicht an, maßgeblich soll die grundsätzliche Eignung im Zeitpunkt der Beauftragung aus Sicht der beauftragenden Partei sein (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.01.1995 -23 W 5+6/95-, Baurecht 1995, 883; OLG Stuttgart Beschluss vom 13.11.2001 -8 W 481/01 -, Baurecht 2002, 665).

3.2. Prozessbezogenheit

Das Gutachten soll im Hinblick auf einen konkret bevorstehenden Rechtstreit erstellt sein, d.h. in engem, sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Prozess stehen.

3.3. Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit der Hinzuziehung des private beauftragten Sachverständigengutachtens.

Die häufigste und zugleich schwierigste Problematik der Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines privaten Sachverständigengutachten bezieht sich auf die Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit der Hinzuziehung des privaten Sachverständigengutachtens. Die Hinzuziehung des Gutachtens muss für eine Prozesspartei unabdingbar sein, um ihrer Darlegungslast zu genügen, erforderliche Beweise anzutreten, gegnerische Beweiseintritte wie auch Gerichtsgutachten erfolgsversprechend abwehren oder erschüttern zu können.

Dazu hat sich eine umfangreiche Kasuistik entwickelt. Die sich herausbildenden Fallgestaltungen und Einzelfälle aus der Rechtsprechung für und gegen die Erstattung privater Gutachtenkosten sollen hier nachfolgend angesprochen werden.

Fallgestaltungen:

(1.) Erläuterung und Darlegung schwieriger technischer Fragen

(2.) Eine fachunkundige Partei sieht sich einer sachverständigen und fachkundigen Partei gegenüber und der Partei fehlen technische Kenntnisse der Gegenseite.

(3.) Das gerichtlich bestellte oder ein von der Gegenseite vorgelegtes Gutachten sollen erschüttert werden.

(4.) Der Prozessgegner hat zuerst ein Gutachten eingeholt und vorgelegt.

Einzelfälle der Rechtsprechung, denen nach Kosten des Privatgutachten erstattungsfähig sein sollen:

- Kosten eines vorprozessualen Gutachtens zur substantiierten Darlegung von Baumängeln können erstattungsfähig sein, selbst wenn die Feststellungen auch in einem selbstständigen Beweisverfahren hätten getroffen werden können (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.01.1995 -23 W 5+6/95- Baurecht 1995, 883).

- Kosten eines vorgerichtlichen Privatgutachtens, um die technischen Voraussetzungen der Anwendbarkeit einzelner Honorartatbestände der HOAI zu klären, können im Rahmen des Honorarprozesses von Architekten und Ingenieuren erstattungsfähig sein (Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 18.10.2001 -8 W 120/01-, Baurecht 2002, 1128).

- Kosten eines prozessbegleitenden Privatgutachtens können erstattungsfähig sein, wenn das Gericht auf unzureichende Substantiierung des Prozessvortrages hingewiesen hat und der Partei ergänzender Vortrag nur auf Grund sachverständiger Beratung möglich ist (OLG Koblenz, Beschluss vom 27.12.2001 -14 W 852/01-, Baurecht 2002, 1131).

- Kosten eines prozessbegleitenden Privatgutachtens zur Widerlegung oder Erschütterung des Gutachtens eines gerichtlich bestellten Sachverständigen über Baumängel können erstattungsfähig sein (OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.11.2001 -8 W 481/01-, Baurecht 2002, 665).

Einzelfälle der Rechtsprechung, denen nach Kosten des Privatgutachten nicht erstattungsfähig sein sollen:

- Kosten eines prozessbegleitenden Privatgutachtens zur Klärung von Sachverhalten, welche die Partei mit Hilfe ihres Parteiprozessbevollmächtigten vortragen und unter Beweis stellen kann, sollen nicht erstattungsfähig sein (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.04.1998 -22 W 18/98-, Baurecht 1998, 1282).

- Kosten eines Privatgutachtens zur Erstellung eines Gegenaufmaßes sollen nicht erforderlich und mithin nicht erstattungsfähig sein, wenn der Bauherr die Information im Rahmen der beauftragten Grundleistungen (§ 15 Abs. 2 HOAI) seines Architekten erlangen kann (OLG Bamberg, Beschluss vom 08.09.1993 -3 W 67/93-, Baurecht 1994, 138)

Hinweis:
Der Architekt hat im Rahmen der Vollarchitektur (alle Leistungsphasen des § 15 HOAI) grundsätzlich auch Baumängel zu prüfen und Nacherfüllungsarbeiten zu überwachen. Für den Arbeitsaufwand kann er regelmäßig keine gesonderten Kosten („Regiekosten“) verlangen. Der Bauherr kann solche „Regiekosten“ dem verantwortlichen Unternehmer nicht auferlegen (OLG Hamm, Urteil vom 29.01.1992 -12 U 38/91-).

- Kosten eines vorprozessualen Privatgutachtens, das der allgemeinen Prüfung, wer für einen Baumangel verantwortlich ist, dient, sollen nicht unmittelbar prozessbezogen und mithin nicht erstattungsfähig sein (OLG Koblenz, Beschluss vom 14.03.2001 -14 W 162/01-, Baurecht 2002, 1131).


4. Resüme
Der Mut zum Privatgutachten kann durchaus auch im Prozess belohnt werden, indem die Kosten grundsätzlich getragen werden. Nicht selten wird in der juristischen Praxis angeraten, begleitend zu privaten und gerichtlichen Sachverständigenverfahren einen Sachverständigen zu beauftragen, um Waffengleichheit zu gewähren und Eindruck auszuüben. Auch für das begleitende oder vorprozessuale Privatgutachten gilt grundsätzlich, dass das Gericht, dessen Sachverständige oder Sachverständige der Gegenpartei fachliche Kontrolle spüren, was in seiner Auswirkung nicht unterschätzt werden sollte.

Kontakt
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die Kanzlei:
Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck