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Klimaschutz vor Denkmalschutz

Das gesetzlich verankerte überragende öffentliche Interesse an der Errichtung von Einrichtungen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien kann nur ausnahmsweise durch Interessen des Denkmalschutzes überwunden werden.
Hintergrund
Zunehmend kommt es zu Kollisionen zwischen den Schutzbelangen des Denkmalschutzrechtes und der gesetzlichen Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien. Zwei jüngere Urteile des OVG NRW geben nunmehr Hinweise, wie mit dieser Kollision umzugehen ist. In beiden Fällen setzt sich der Klimaschutz durch.


Hinweis
Das erste Urteil des OVG NRW (Urteil vom 27.11.2024 – 10 A 2281/23) betrifft ein Einfamilienhaus in der „Golzheimer Siedlung“ in Düsseldorf; für die Siedlung gilt eine Denkmalbereichssatzung. Die Eigentümerin möchte auf der aus dem Straßenraum teilweise einsehbaren Dachfläche ihres Hauses eine Solaranlage errichten. Eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis wird ihr allerdings durch die zuständige Behörde verweigert. Sie klagt vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf, schließlich vor dem Oberverwaltungsgericht Münster.

Das Oberverwaltungsgericht stellt heraus, dass es – nach wie vor – einer Abwägung zwischen den Belangen des Denkmalschutzes auf der einen Seite und dem Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien auf der anderen Seite gemäß § 9 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 DSchG NRW bedürfe. Im Weiteren stellt das Gericht klar, dass § 2 Abs. 1 EEG ein überragendes öffentliches Interesse an der Errichtung von Einrichtungen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien normiere. Dieses überragende öffentliche Interesse könne nur ausnahmsweise überwunden werden. Ob ein Ausnahmefall vorliege, in dem die Belange des Denkmalschutzes überwiegen, beurteile sich ausgehend von den Gründen der Unterschutzstellung anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls.

Im vorliegenden Fall des Einfamilienhauses in der Golzheimer Siedlung ergäben sich aus der Denkmalbereichssatzung und insbesondere den in ihrer Denkmalwertbegründung niedergelegten Erwägungen keine besonderen Umstände, die ausnahmsweise ein zum Nachteil der erneuerbaren Energien und zugunsten des Denkmalschutzes gehendes Ergebnis nach sich zögen. Ziel der Denkmalbereichssatzung sei es unter anderem, eine einheitliche Dachlandschaft zu erhalten mit geschlossenen und kleinstrukturierten Dachflächen. Die streitgegenständlichen 20 Solarmodule wurden in dieses einheitliche Erscheinungsbild nicht derart eingreifen, dass – in Ausnahme zum Regelvorrang § 2 EEG – von einem Vorrang des Denkmalschutzes auszugehen wäre. Die Solarmodule überdeckten die „kleinteilig strukturierte“ Dachfläche nur teilweise. Die Eigentümerin habe zudem die Installation von Modulen in einer „full black"-Ausgestaltung (matt, ohne chromefarbenen abgesetzten Rahmen) beantragt und nimmt hierdurch auf die Farbigkeit der Hohlpfannen Rücksicht. Die Module seien in ihrer Lage angepasst an die vorhandene Gaube und die Dachflächenfenster, vom Ortgang treten sie zurück, die Form des Satteldach berühren sie nicht.

Die in der Anlage 1 zur Denkmalbereichssatzung ausgewiesenen, erhaltenswerten Blickbezüge seien durch die Solarmodule nicht erheblich gestört. Eine deutliche Sichtbarkeit der Solaranlage alleine reiche für eine Ablehnung nicht. Hier seien die gegenständlichen Module insgesamt vom öffentlichen Straßenraum aus nur am Rande, in zweiter Reihe und nur in Teilausschnitten wahrnehmbar. Auch die das geschützte äußere Erscheinungsbild mitbestimmende rheinseitige Silhouette werde durch die Solaranlage nicht beeinträchtigt. Die Kontur des Gebäudes der Eigentümerin, soweit sie von der Rheinpromenade wahrnehmbar sei, werde durch die Solaranlage nicht berührt.

In der zweiten Entscheidung des OVG NRW (Urteil vom 27.11.2024 – 10 A 1477/23) ging es um ein Wohngebäude, das (als ehemalige Schule) als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Siegen eingetragen ist. Das OVG entschied auch hier, dass die Erlaubnis für die Errichtung einer Solaranlage (20 Solarmodule) auf dem Dach des Gebäudes gemäß Denkmalschutzgesetz NRW zu erteilen sei, weil der Vorrang gemäß § 2 EEG gelte und ein Ausnahmefall nicht gegeben sei. Aus dem Umstand, dass die Dachfläche mit den Solarmodulen auf der ehemaligen Burgschule vom öffentlichen Raum heraus – aufgrund der Lage des Gebäudes – teilweise auch weithin sichtbar sei, reiche für einen Ausnahmefall nicht aus.

Die Gestaltung und Materialität der Dachfläche, insbesondere die von der Stadt Siegen betonte Schiefereindeckung, sei nicht maßgeblich für die Unterschutzstellung des Gebäudes gewesen. In der Denkmalwertbegründung  werde lediglich im Zusammenhang mit der architekturhistorischen Bedeutung der Dachreiter als Gestaltungsmerkmale der für das Siegerland typischen Kapellenschule hervorgehoben. In das Erscheinungsbild des Baukörpers und die damit verbundene besondere denkmalschutzrechtliche Bedeutung werde durch die Solaranlage nicht eingegriffen. Diese würden auch den Gesamteindruck des Gebäudes nicht dominieren. Die Solarmodule in „full black"-Design seien im Wesentlichen in zwei gleichmäßigen Reihen auf der Dachfläche angeordnet und stehen so der zusammenfassenden Wirkung des Daches und des Gebäudes nicht entgegen. Von dem besonders hervorgehobenen Dachreiter halten die Solarmodule Abstand, auch zu den Dachrändern.

Vorsorglich stellt das OVG darüber hinaus fest, dass ein Ausnahmefall, in welchem der Denkmalschutz das Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien überwiege, hier selbst dann nicht gegeben wäre, wenn man der Auffassung der Stadt Siegen folge, die Schieferdachfläche sei auch als denkmalwertbegründend anzusehen. Denn nach der Denkmalwertbeschreibung hätte die verschieferte Dachfläche dann nur einen nachrangigen Einfluss auf den Denkmalwert des Gebäudes, es könnte ihr daher nur ergänzende Bedeutung beigemessen werden.

Eine Absage erteilt das OVG schließlich ausdrücklich dem Argument der Stadt Siegen, das öffentliche Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien bedürfe nicht zwingend der konkreten Solaranlage auf dem Dach dieses denkmalgeschützten Gebäudes, sondern könne auch anderweitig verwirklicht werden.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck