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Insolvenzbedrohtes Bauunternehmen: Besondere Überwachungspflichten des Bauleiters!

Nach Ansicht des OLG Naumburg ist der Architekt verpflichtet, insolvenzbedrohte Unternehmen mit erhöhter Aufmerksamkeit zu überwachen.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

In der Leistungsphase 8 begründet die Verletzung u.a. von Überwachungspflichten oft eine Haftung des Architekten.

Der Umfang der Überwachungspflicht richtet sich nach dem Einzelfall; Besonderheiten ergeben sich z.B. bei mangelnder Sachkunde oder Zuverlässigkeit des bauausführenden Unternehmens.
Beispiel
(nach OLG Naumburg , Urt. v. 26.11.2002 - 11 U 234/01-)
Nach Durchführung von Sanierungsarbeiten an einem Dach zeigten sich erhebliche Mängel. Die Dachdeckerfirma konnte der Bauherr nicht mehr belangen, sie war bereits insolvent. Bereits während der Durchführung des Auftrages war das Unternehmen in der Krise gewesen. Nunmehr nimmt der Bauherr den Architekten in Haftung. Dieser trägt pauschal vor, er habe seine Überwachungspflichten erfüllt.

Das Gericht gibt der Schadensersatzklage des Bauherrn gegen den Architekten statt. Zunächst treffe den Architekten betreffend insolvenzbedrohter Unternehmen eine besonders erhöhte Überwachungspflicht. Ein bauüberwachender Architekt müsse sich immer davon überzeugen, dass die ausführenden Unternehmen zuverlässig und in der Lage seien, die beauftragten Arbeiten ordnungsgemäß auszuführen (vgl. auch BGH WM 1971, 680; OLG Düsseldorf -5 U 89/92-, Urteil vom 11.11.1993). Hier hätten die Architekten selbst vorgetragen, dass sich das Dachdeckerunternehmen bereits bei der Ausführung der Arbeiten in einer wirtschaftlichen Krise befunden habe, deren Arbeitnehmer seien nicht mehr ordnungsgemäß bezahlt worden. In solchen Situationen liege es nah, dass am Bau gepfuscht werde, weil sich die Geschäftsleitung und die Arbeitnehmer nicht mehr auf ihre Aufgabe bei der Sanierung des Gebäudes, sondern mehr auf ihre finanziellen Probleme konzentrierten. Hinzu kämen regelmäßig Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung. Dem müsse der Architekt Rechnung tragen und seine Kontrollen so ausdehnen, dass er dass von der Insolvenz bedrohte Unternehmen bei jedem Arbeitsschritt im Auge behalte. Entsprechende Überwachungstätigkeiten hätten aber die Architekten selber nicht vorgetragen.
Hinweis
Das Urteil wirft einige Fragen auf. Zunächst ist unklar, ob und woher der Architekt Kenntnis von einer etwaigen Insolvenzgefahr eines Unternehmens haben soll. Soll der Architekt vielleicht verpflichtet sein, sich bei der Angebotseinholung jeweils von der Solidität der angesprochenen Unternehmen zu überzeugen? Und wie täte er das? Letztlich kann dies kaum mit dem Urteil des OLG Naumburg gemeint sein, und wenn doch, wäre es nach diesseitiger Ansicht falsch. Vielmehr sollte der Architekt dem Bauherrn nahe legen, ggf. selbst Auskünfte über die Liquidität und Solidität der beauftragten Bauunternehmen einzuholen.


Fraglich ist aber darüber hinaus, ob den Architekten denn erhöhte Überwachungspflichten treffen, wenn er – auf welche Weise auch immer – von der Insolvenzgefährdung eines Unternehmens Kenntnis erhält. Entgegen der Ansicht des OLG Naumburg kann eine solche Erkenntnis unseres Erachtens kaum dazu führen, dass der Architekt nunmehr das insolvenzbedrohte Unternehmen „bei jedem Arbeitsschritt im Auge behält“. Dies wäre eine unangemessene und überspannte Ausdehnung der Überwachungspflichten des Architekten. Von einer Pflicht zur erhöhten Aufmerksamkeit gegenüber solchen Unternehmen wird man allerdings in der Regel ausgehen dürfen. Wichtig wäre des weiteren, dass der Architekt den Bauherren – so dieser von der Insolvenzgefährdung noch keine Kenntnis hat – auf die Insolvenzgefährdung - nachweisbar - aufmerksam macht.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck