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Fehlende Bauüberwachung kann Arglist begründen

Ein arglistiger Verstoß gegen vertragliche Offenbarungspflichten liegt nicht nur dann vor, wenn bekannte Mängel verschwiegen werden. Vielmehr kann der Architekt sich seiner vertraglichen Offenbarungspflicht bei Ablieferung des fertigen Werkes nicht dadurch entziehen, dass er sich unwissend hält, indem er hinsichtlich eines abgrenzbaren und besonders schadensträchtigen Teils der Baumaßnahmen keine Bauüberwachung vornimmt.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Haftungsansprüche gegen den Architekten verjähren.

Dauer, Beginn, Hemmungen und Unterbrechungen der Verjährung ist nach altem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht anders geregelt als nach neuem Recht.
Beispiel
(nach KG Berlin , Urt. v. 08.12.2005 - 4 U 16/05)
Der Architekt ist mit Leistungen der Leistungsphasen 1-8 des § 15 HOAI beauftragt. Mehr als zehn Jahre nach Errichtung geplanten Mehrfamilienhauses zeigten sich Mängel an den Balkonen. Auf allen Balkonen fehlte die Ausführung einer geplanten Isolierungsschicht und die Rohrhülsen und Flansche für die Durchdringungen der Abdichtungen im Bereich der Fallrohre. Schellenverbindungen waren ebenso wenig vorhanden, wie auf allen Balkonen die Bodeneinläufe in der Abdichtungsebene keine Entwässerungsmöglichkeiten hatten. Der in Haftung genommene Architekt beruft sich auf Verjährung.

Das Gericht lässt den Einwand nicht zu. Die baulichen Ausführungen hätte der Architekt wegen ihrer Bedeutung für das Bauvorhaben überwachen müssen. Die im Zusammenhang mit Isolierarbeiten neuralgischen Punkte eines Hauses sind Keller, Dach und Balkone. Alle Ausführungen sind gleichermaßen fehlerhaft nicht erfolgt (Serienschaden). Aus diesem Unterlassen folgt, dass der Architekt seinem Auftraggeber hätte offenbaren müssen, dass er nicht einmal stichprobenhaft die Ausführung auch nur dieser Details überwacht hat (vgl. auch OLG Stuttgart, Urt. v. 21.04.2008). Die Verletzung dieser Offenbarungspflicht begründet Arglist und führt zu einem Schadensersatzanspruch, der gemäß § 634a Absatz 3 und § 199 BGB (n.F.) ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von seiner Entstehung an verjährt (nach altem Recht des BGB in 30 Jahren begrenzt auf die Übergangsregelung 10 Jahre ab Inkrafttreten des BGB n.F.- Art. 229 § 6 Absatz 4 EG BGB). Darauf, dass der Architekt andere Gewerke und Details tatsächlich überwacht hat, kommt es nicht an.
Hinweis
Die längere Haftung des Architekten ist nicht aus der Welt. Die geschuldete Leistung auch nur in Teilbereichen nicht zu erbringen kann Arglist begründen. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Architekt nicht nachweisen kann stichprobenartig Überwachung – wenn auch gfs. fehlerhaft – ausgeübt zu haben. Ein durchweg fehlende Ausführung geplanter Details lässt allerdings darauf schließen, dass keine Überwachung der Ausführung des Details stattgefunden hat und begründet eine Offenbarungspflicht, deren Unterlassen Arglist mit sich bringt. Problematisch ist in dem Zusammenhang der Versicherungsschutz. Nicht ausgeschlossen ist, dass der Versicherer von Arglist auf den Ausschlusstatbestand der bewussten Pflichtwidrigkeit schließt. Der Versicherer sollte bei der Offenbarung des Fehlers gegenüber dem Bauherrn vorsorglich zuvor hinzugezogen werden, um nicht andererseits in die Problematik des Anerkenntnisverbotes zu geraten. Besteht Versicherungsschutz, dann gelten die Regeln zum Serienschaden – sofern zulässig vereinbart. Danach liegt nur ein Versicherungsfall vor mit der Folge, dass zwar nur einmal der Selbstbehalt zu tragen ist aber die Versicherungssumme auch nur einmal zur Verfügung steht.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck