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Baukostenüberschreitung: Welche Nachbesserungen muss der Auftraggeber hinnehmen?

Nach Ansicht des OLG Naumburg kommt ein nachträgliches Weglassen von Bauteilen als dem Bauherrn zumutbare Maßnahme zur Einhaltung der Baukostenobergrenze nur in Betracht, wenn die Planung ausgewogen bleibt, der Charakter des Bauvorhabens nicht wesentlich verändert wird und anzunehmen ist, dass der Auftraggeber von Anfang an damit einverstanden gewesen wäre, eine Verringerung der Baukosten durch das Entfallen von Bauteilen in dieser Form zu akzeptieren.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Ein Sonderbereich der Architektenhaftung stellt die Haftung für Bausummenüberschreitungen dar.

Werden Bausummen überschritten, so muß der Bauherr den Architekten i.d.R. zunächst zur Nachbesserung auffordern, bevor er Haftungsansprüche geltend machen kann. .
Beispiel
(nach OLG Naumburg , Urt. v. 17.07.2007 - 9 U 164/06; BGH, 08.07.2010 – VII ZR 158/07 -, NZB zurückgewiesen)
Ein gemeinnütziger Auftraggeber beabsichtigt den Neubau eines Leichtathletikzentrums. Dieser soll unter anderem mit Fördermitteln der Arbeitsverwaltung und deshalb mit entsprechender Durchführung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bei der Verwirklichung des Projektes finanziert werden. Der Auftraggeber lässt eine Genehmigungsplanung erstellten. Auf der Grundlage der Genehmigungsplanung wird ein Architekt mit den Leistungsphasen 5 bis 9 beauftragt. Der Vertrag enthält die Vereinbarung einer Baukostenobergrenze von rund 4,95 Millionen € brutto. Im Rahmen der Submission zeigt sich, dass die Kosten mindestens rund 780.000,00 € überschritten werden, mithin rund 15,76 %. Die zusätzlichen Kosten ABM betragen rund 730.000,00 €.

Der Architekt schlägt zur Kostenminimierung vor, auf die Förderung der Arbeitsverwaltung bei gleichzeitigem Absehen der ABM zu verzichten. Des Weiteren zeigt er Einsparmöglichkeiten durch den Wegfall von Modulen der Akustikplanung sowie der kompletten Hallenlüftung in Höhe von rund € 450.000,00 auf. Weitere Einsparmöglichkeiten könnten nur Verbindung mit Grundrissänderungen bzw. Flächenminimierung einhergehen. Hierauf kündigt der Bauherr.
 
Das OLG Naumburg bestätigt das Kündigungsrecht des Bauherrn aus wichtigem Grund. Die Nichteinhaltung einer vereinbarten Kostenobergrenze könne grundsätzlich einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen. Soweit in diesem Zusammenhang der Bauherr grundsätzlich verpflichtet sei, dem Planer eine Nachbesserungsmöglichkeit einzuräumen, so habe sich hier der Bauherr nicht auf die Einsparvorschläge des Architekten einlassen müssen. Im Hinblick auf die ABM habe der gemeinnützige Bauherr die allein ihm zustehende Entscheidung getroffen, dass Bauvorhaben mit einer solchen ABM verwirklichen zu wollen. Diesen, dem Architekten bereits bei Vertragsschluss bekannten Umstand habe er zu akzeptieren. Für den Bauherrn bestand deshalb kein Anlass, sich auf eine Änderung des Gesamtfinanzierungskonzepts einzulassen. Des Weiteren war es dem Bauherrn auch nicht zumutbar, sich auf den Wegfall ganzer Hallenbestandteile wie der geplanten Akustikmodule oder der Hallenlüftung einzulassen.

Bei einer anderen Beurteilung käme eine außerordentliche Kündigung wegen Baukostenüberschreitung kaum jemals in Betracht, weil praktisch jedes Bauwerk durch Weglassen von Teilen bzw. Baugruppen zu geringeren Kosten erstellt werden könne. Ein nachträgliches Weglassen von Bauteilen als dem Bauherrn zumutbare Maßnahme zur Einhaltung der Baukostenobergrenze komme nur dann in Betracht, wenn die Planung ausgewogen bleibe, der Charakter des Bauvorhabens nicht wesentlich verändert werde und anzunehmen sei, dass der Auftraggeber von Anfang an damit einverstanden gewesen wäre, eine Verringerung der Baukosten durch das Entfallen von Bauteilen in dieser Form zu akzeptieren. Lägen diese Voraussetzungen wie hier nicht vor, so habe der Auftraggeber das Recht, eine insgesamt neue und ausgewogene Planung, die die Baukosten einhält, einzufordern. Diese Neuplanung dürfe der Bauherr hier wegen des inzwischen eingetretenen Vertrauensverlustes – auch weil der Erst-Architekt sich zunächst uneinsichtig gezeigt hatte – an einen anderen Architekten vergeben.
Hinweis
Das Gericht tut sich nach Ansicht des Verfassers zu recht etwas schwer mit der Begründung, warum der mit den Leistungsphasen 5 - 8 beauftragte Architekt für die offenbar schon in der Genehmigungsplanung angelegte Kostenüberschreitung haften soll.

Unabhängig hiervon dürfte es nach diesseitiger Ansicht für die Frage, in welchem Umfang sich ein Bauherr auf Nachbesserungsvorschläge seines Architekten zur Kostenminimierung einlassen muss, entscheidend auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien ankommen. Legt der Bauherr zwar eine Baukostenobergrenze fest, aber kein hierzu gehöriges Bauprogramm, so muss er sich nach diesseitiger Ansicht im Hinblick auf etwaige Nachbesserungsversuche des Architekten auf wohl ziemlich alles einlassen. Anders liegt es, wenn die Baukostenobergrenze schon mit einem feststehenden Bauprogramm – wie hier mit der vorliegenden Genehmigungsplanung – korrespondiert. Für diesen Fall dürften die Ausführungen des OLG Naumburg zutreffend sein.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck