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Bauherr kennt Befreiungserfordernis: Haftet Architekt gleichwohl?

Verlangt der Bauherr die Bebauung eines Grundstücks mit einer höheren als der im Bebauungsplan vorgesehenen Baumassenzahl und hat er die Erwartung, die Genehmigung werde erteilt, übernimmt er das Risiko, dass die Planung des Architekten vom Bauamt nicht genehmigt wird.

Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

In den Leistungsphasen 1 - 5 führen Planungsfehler zu einer Haftung des Architekten.

Ein besonderes Haftungsrisiko trifft den Architekten bei der Erstellung einer genehmigungsfähigen Planung
Beispiel
( - KG Berlin, Beschlüsse vom 29.09.2022 sowie vom 15.11.2022, 27 U 82/22; BGH, Beschluss vom 19.07.2023 – VII ZR 216/22 – NZB zurückgewiesen)
Ein Architekt wird mit Architektenleistungen für ein größeres Bauvorhaben beauftragt. In dem Architektenvertrag heißt es unter "Planungsziele": Das Baugrundstück liegt im Bereich des Bebauungsplanes XX. In dem Plan ist eine BMZ von 9,0 vorgegeben. Von Seiten des Stadtplanungsamtes wird eine höhere BMZ in Aussicht gestellt.

Der Bauherr wünschte die Bebauung des Grundstücks mit einer höheren BMZ als der im B-Plan vorgesehenen und hatte die Erwartung, die Genehmigungsbehörde werde eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans genehmigen. Auf entsprechende Vorgabe des Bauherrn hin erstellte der Architekt eine vollständige Vorplanung auf der Grundlage BMZ 11,4. Im weiteren Verlauf wurde die Planung zu einer Entwurfsplanung im Einvernehmen mit dem Bauherrn fortentwickelt, wobei die BMZ reduziert wurde. Nachdem die Bauaufsichtsbehörde eine parallel eingereichte Bauvoranfrage nicht genehmigte und sich herausstellte, dass eine Genehmigung bestenfalls mit einer BMZ von 9,98 erfolgen könnte, stellte der Bauherr die Zusammenarbeit mit dem Architekten ein. Der Architekt macht daraufhin sein Honorar für erbrachte Leistungen, insbesondere Leistungsphasen 1 und 2 sowie ca. 90 % aus der Leistungsphase 3 geltend. Der Bauherr zahlt nicht, er meint ein Minderungsrecht auf Euro 0,- zu haben und begründet dies mit der fehlenden Genehmigungsfähigkeit.

Das KG Berlin spricht das Honorar zu. Eine mangelhafte Planung, die zu einer Minderung berechtigen könnte, läge nicht vor. Ein Architekt, der sich zur Erstellung einer Genehmigungsplanung verpflichtet, schulde zwar als Werkerfolg eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung. Etwas anderes gelte aber, wenn der Auftraggeber das Risiko der Genehmigungsfähigkeit der Planung übernehme. Verlange – wie hier – der Auftraggeber die Bebauung des Grundstücks mit einer höheren als der im Bebauungsplan vorgesehenen Baumassenzahl und habe er die Erwartung, die Genehmigungsbehörde werde eine Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans genehmigen, übernehme er das Risiko, dass die Planung des Architekten vom Bauamt nicht genehmigt werde.

Hinweis
Die Frage, in welchem Umfang der Architekt über bestehende Genehmigungsrisiken aufklären muss bzw. unter welchen Voraussetzungen der Bauherr das Risiko einer fehlenden Genehmigungsfähigkeit selber übernimmt, ist in der Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt. Grundsätzlich Einigkeit besteht darüber, dass das Genehmigungsrisiko durch eine entsprechende Aufklärung des Architekten dem Bauherrn übertragen werden kann. Nach Ansicht des BGH bietet die Kenntnis des Genehmigungsrisikos allein aber keine ausreichende Grundlage für die Annahme, dass der Bauherr das Risiko übernehme (Urteil vom 26.09.2002). Allein, dass der Architekt Bedenken hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit der Bauherrnwünsche darlege, führt nach Ansicht des OLG Düsseldorf nicht ohne Weiteres zu einem Haftungsausschluss (Urteil vom 30.04.1985). Das OLG Nürnberg meint (anders als hier das KG Berlin), dass auch die Kenntnis des Bauherrn vom Befreiungserfordernis, den Architekten noch nicht enthafte (Urteil vom 16.06.2021). Bei schwierigen genehmigungsrelevanten Rechtsfragen ist es nach Ansicht des OLG Stuttgart lediglich Pflicht des Architekten auf die Problematik hinzuweisen und die Einholung rechtskundiger Hilfe anzuregen; eine Haftung für einen unterlassenen Hinweis komme jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Bauherr selber die erforderlichen Kenntnisse hinsichtlich der Beurteilung der Rechtsfrage habe (Urteil vom 12.10.2006). 

Eine andere Frage ist, ob der Honoraranspruch des Architekten für den Fall, dass er unzureichend aufgeklärt hat, vollständig entfällt. Hier gibt es Entscheidungen, die darauf hindeuten, dass in Einzelfällen der Architekt Honorar jedenfalls für die Leistungsphasen 1 und 2 verlangen kann, selbst wenn später die Genehmigung nicht erteilt wird (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.04.1985 sowie OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.06.2000 mit weiteren Nachweisen). Das Kammergericht Berlin befasst sich auch mit dieser Frage und spricht dem Architekten hier sogar Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 3 zu. Es folgt dem Argument des Bauherrn, der Architekt hätte ihm raten müssen, zunächst die Bescheidung der Bauvoranfrage abzuwarten, nicht. Der Bauherr sei hier nicht nur ein erfahrener Projektentwickler, der bereits eine Vielzahl von großen Bauvorhaben geplant und umgesetzt habe, sondern er sei zudem auch bei den Gesprächen mit dem Stadtplanungsamt dabei gewesen; bei diesen Gesprächen wurde ausdrücklich thematisiert, dass das konzipierte Bauvorhaben mit den Bestimmungen des geltenden Bebauungsplans nicht übereinstimme und dass Befreiungen nur in einem gewissen Umfang denkbar seien.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck