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Bauherr entsendet Architekt zur Abnahme: Anscheinsvollmacht zur Gewährleistungsverkürzung?

Ein vom Bauherrn zur Abnahme entsandter Architekt ist nach Ansicht des OLG Saarbrücken kraft Anscheinsvollmacht berechtigt, namens des Bauherren eine Verkürzung der Gewährleistung zu vereinbaren.
Hintergrund
Haben Architekt und Bauherr einen Vertrag geschlossen, prägt dieser wesentlich das Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien.

Die Befugnisse des Architekten, den Bauherrn gegenüber Dritten, beispielsweise Bauunternehmern, zu vertreten, richtet sich nach der ihm erteilten Vollmacht.

Liegen die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht vor, so ist eine Erklärung des Architekten dem Bauherren wie bei einer Bevollmächtigung zuzurechnen.
Beispiel
(nach OLG Saarbrücken , Urt. v. 01.03.2000 - 1 U 576/99-145 -, NJW-RR 2000, 826)
In dem Bauvertrag zwischen Bauherren und Bauunternehmer wurde eine Gewährleistungsfrist von fünf Jahren ab dem Datum der Abnahme vereinbart. Die (rechtsgeschäftliche) Abnahme der Leistungen des Bauunternehmers erfolgte am 14.01.1993. Zum Abnahmetermin entsandte der Bauherr einen Architekten. Dieser unterzeichnete bei der Abnahme ein Abnahmeprotokoll, nach dessen Inhalt die Gewährleistungsfrist vom 18.12.1992 bis zum 17.12.1997 laufen sollte. Am 14.01.1998 reichte der Bauherr Klage gegen den Bauunternehmer auf Zahlung eines Vorschusses für Mängelbeseitigungskosten ein. Der Bauunternehmer berief sich auf Verjährung.

Das OLG Saarbrücken hält die Klage auf Vorschusszahlung für unbegründet. Die seitens des Bauunternehmers erhobene Einrede der Verjährung greife durch. Die Gewährleistungsfrist sei am 17.12.1997 abgelaufen, die Klage aber erst am 14.01.1998 eingereicht. Die zwischen Bauunternehmer und Architekt im Rahmen des Abnahmeprotokolls vereinbarte Verjährungsverkürzung bis zum 17.12.1997 sei wirksam, der Bauherr müsse sich die Vereinbarung seines Architekten zurechnen lassen. Das Gericht wies darauf hin, dass es dahingestellt bleiben könne, ob von einer (originären) Architektenvollmacht ohne Weiteres auszugehen sei. Die Vertretungsmacht des Architekten ergäbe sich hier jedenfalls aus den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht. Werde ein Architekt vom Bauherren zu einem Abnahmetermin entsandt, so werde für ihn eine Anscheinsvollmacht begründet. Wenn zwischen dem Bauherren und dem Bauunternehmer ein Abnahmetermin vereinbart sei und dabei für den Bauherren ein Architekt erscheine und zur Unterzeichnung eines Abnahmeprotokolls bereit sei, so müsse sich dies der Bauherr als Anscheinvollmacht zurechnen lassen. Es sei nämlich allein seine Sache zu verhindern, dass ein nicht bevollmächtigter Architekt zum Abnahmetermin erscheine.
Hinweis
Gegen das oben besprochene Urteil des OLG Saarbrücken bestehen Bedenken. Grundsätzlich ist ein Architekt - auch im Rahmen der originären Vollmacht - nicht bevollmächtigt, eine rechtsgeschäftliche Abnahme für den Bauherren vorzunehmen; lediglich zu technischen Abnahmen ist der Architekt berechtigt. Schickt ein Bauherr einen Architekten zu einem - rechtsgeschäftlichen - Abnahmetermin, so wird hierin eine konkludente Bevollmächtigung zur rechtsgeschäftlichen Abnahme (die zu einer Beweislastumkehr, zur Fälligkeit der Werklohnvergütung, grundsätzlich zum Beginn der Verjährung und zu weiteren Rechtsfolgen führt) gesehen werden müssen. Allerdings muss der Bauherr nicht ohne Weiteres annehmen, dass der von ihm entsandte Architekt im Rahmen der rechtsgeschäftlichen Abnahme Gewährleistungsfristen gegenüber den Bauunternehmern verkürzt. Ebensowenig wird ein Bauunternehmer ohne Weiteres davon ausgehen können, dass ein zu einer rechtsgeschäftlichen Abnahme entsandter Architekt berechtigt ist, Gewährleistungsfristen zu verkürzen. Auf Grund dieser Umstände wird meines Erachtens für den besprochenen Fall kaum von einer Anscheinsvollmacht ausgegangen werden können.

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