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Bauherr billigt von der Baugenehmigung abweichende Bauweise: Architekt enthaftet?

Die Billigung einer von der Baugenehmigung abweichenden Bauweise durch den Bauherrn führt, ohne dass der Architekt über die Konsequenzen aufgeklärt hat, noch nicht zu einer Enthaftung des Architekten.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Eine Haftung des Architekten kann aufgrund besonderer Umstände eingeschränkt oder ausgeschlossen sein.

Eine Einschränkung oder ein Ausschluß der Haftung kann sich ergeben, wenn der Bauherr auf eigene Gefahr handelt.
Beispiel
(nach Landgericht Darmstadt , - Urteil vom 15.2.2023 – 11 O 130/19)
Beim Ausheben der Baugrube wird auf Grundwasser gestoßen. Der Bauherr wird darüber informiert, dass eine (teure) Wasserhaltung notwendig ist. Der Bauherr entscheidet sich gegen die Wasserhaltung und für eine Erhöhung der Gründung um ca. 20 cm. Der Architekt, der bei diesem Treffen nicht anwesend ist, erfährt von der Entscheidung. Weiteres veranlasst der Architekt nicht. Später beanstandet das Bauaufsichtsamt die von der Baugenehmigung abweichende Höhe des fertig gestellten Gebäudes und verlangt die Eintragung einer Baulast auf dem Nachbargrundstück wegen erhöhter Abstandsflächen.

Das Landgericht Darmstadt setzt sich unter anderen mit der Frage der Haftung des Architekten auseinander. Soweit dieser von der Entscheidung des Bauherrn Kenntnis gehabt habe (Architekt und Bauherr hatten sich bereits zerstritten, die Zusammenarbeit war in der Auflösung begriffen), wovon aber aufgrund der Beweisaufnahme auszugehen sei, reiche die Billigung des Bauherrn für eine Enthaftung des Architekten nicht aus. Vielmehr habe der Architekt gegenüber dem Bauherrn eine Aufklärungspflicht über die Konsequenzen einer von der Baugenehmigung abweichenden Ausführung (vergleiche ähnlich OLG Dresden, Urteil vom 27.3.2008 sowie OLG Hamm, Urteil vom 11.2.2011).
Hinweis
Der vom Gericht festgestellten Aufklärungspflicht war hier der Architekt nicht nachgekommen. Ungeachtet dessen hatte das Gericht den Architekten im Hinblick auf die Erhöhung der Gründung um ca. 20 cm von einer Haftung freigesprochen: Es lasse sich nicht feststellen, dass die Pflichtverletzung des Architekten für die Abweichung von der genehmigten Planung kausal war. Denn es sei, so das Gericht, gänzlich offen, wie der Bauherr entschieden hätte, wenn er gewusst hätte, dass die Höhenabweichung möglicherweise zu Problemen bei der Einhaltung der Abstandsflächen führen könnte.

Ob letztere Annahme des Gerichtes richtig ist, darf bezweifelt werden: Der Architekt hätte hier aufgrund der von der Baugenehmigung abweichenden Bauweise darüber aufklären müssen, dass dem Bauherrn schon in der Ausführungsphase jederzeit ein Baustopp droht mit entsprechender Rückbau-Verfügung, selbiges auch nach Fertigstellung, insbesondere wenn eine nachträgliche Genehmigung nicht möglich ist, weil – wie in der Regel zu erwarten – der Nachbar die Eintragung einer Baulast auf seinem Grundstück nicht bewilligt.

Im Übrigen droht dem Architekten beim Bauen ohne Baugenehmigung nach den landesrechtlichen Regelungen in der Regel selbst eine Ordnungshaftung sowie der Entzug des Haftpflichtversicherungsschutzes (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 15.4.1992).