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BGH: Verantwortung des Architekten im vereinfachten Genehmigungsverfahren!

In den letzten Jahren sind in die Landesbauordnungen weitgehend Vorschriften aufgenommen worden, die den Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörden bei Bauvorhaben bestimmter Art und Größe erheblich verringern. Der BGH hat nunmehr erstmals ausdrücklich zu den Pflichten des Architekten im Rahmen der vereinfachten Genehmigungsverfahren Stellung genommen.
Hintergrund
Zur Entlastung der Bauaufsichtsämter haben die Länder in ihre Bauordnungen weitgehend Vorschriften eingefügt, die das Baugenehmigungsverfahren vereinfachen und den Prüfungsumfang der Bauaufsichtsämter reduzieren. Insbesondere sind – so z.B. in NRW – vereinfachte Baugenehmigungsverfahren und Genehmigungsfreistellungsverfahren eingeführt worden.

Im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilt die Genehmigungsbehörde noch eine Baugenehmigung, der Genehmigung liegt allerdings nur noch eine eingeschränkte Prüfung öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu Grunde (in NRW werden gem. § 68 I 4 LBauO 2000 insbesondere die Vorschriften des Planungsrechts gem. §§ 29-38 BauGB sowie einige bauordnungsrechtliche Vorschriften, z.B. Abstandsflächen und Stellplätze geprüft, nicht aber beispielsweise die Vorschriften über Brandschutz, z.B. §§ 31 f. LBauO 2000). Im Genehmigungsfreistellungsverfahren wird eine Baugenehmigung nicht erteilt, hier hat der Architekt i.d.R. Bauvorlagen nur in einem Umfang einzureichen, welcher die Prüfung erlaubt, ob das Bauvorhaben im Genehmigungsfreistellungsverfahren durchgeführt werden kann (vgl. z.B. § 67 LBauO NW, § 13 I BauPrüfVO 2000).

Angesichts dieser im Prüfungsumfang erheblich reduzierten Genehmigungsverfahren stellt sich die Frage nach Art und Umfang der Pflichten des Architekten im Hinblick auf die Erstellung einer genehmigungsfähigen Planung.
Hinweis
In seinem Urteil vom 27.09.2001 (Aktenzeichen – VII ZR 391/99 -, BauR 2002, 114) entscheidet der BGH ausdrücklich:

1. Aus Vorschriften, die im öffentlichen Bauordnungsrecht für die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren gelten, kann nicht geschlossen werden, eine vom Architekten vertraglich geschuldete Planungsleistung umfasse nur die dort geregelten Anforderungen.
2. Das vereinfachte Genehmigungsverfahren stellt eine Erleichterung des formellen Rechts und zugleich einen Abbau staatlicher Bauaufsicht unter gleichzeitiger bewusster Verstärkung der Verantwortlichkeit der am Bau Beteiligten dar.

Der Entscheidung lag ein Fall zu Grunde, in welchem ein Architekt für Reihenhäuser in einem Neubaugebiet in NRW Baugenehmigungen im Rahmen eines vereinfachten Genehmigungsverfahren erwirkt hatte. Während der Bauphase wurden durch das zuständige Bauaufsichtsamt Stillegungsverfügungen erlassen, da die Gebäudeabschlusswände nicht den brandschutztechnischen Anforderungen der LBauO NW entsprachen. Die Häuser mussten teilweise abgerissen und wiederaufgebaut werden.

Für Architekten gilt es im Hinblick auf die neuen in den LBauO-en geregelten Genehmigungsverfahren somit insbesondere zu beachten:

- Nach derzeitiger Rechtsprechung hat der Architekt eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung herzustellen. Hierzu hat er neben den Anforderungen des aktuellen Standes der Technik sämtliche für das Bauvorhaben relevanten öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu berücksichtigen. Die Tatsache, dass die Genehmigungsbehörde eine Genehmigung erteilt, entlastet den Architekten insbesondere dann nicht, wenn die Genehmigung später wegen Mängel der Planung wieder aufgehoben wird.

Das nunmehr vorliegende BGH-Urteil verdeutlicht, dass diese Rechtsprechung vollständig auch auf die neuen, im Prüfungsumfang reduzierten Genehmigungsverfahren anwendbar sind. Insbesondere hat der Architekt die Einhaltung sämtlicher öffentlich-rechtlicher Vorschriften, die für das Bauvorhaben relevant sind, zu gewährleisten, selbst wenn durch die Baugenehmigungsbehörde nur öffentlich-rechtliche Vorschriften in einem geringen Umfang geprüft werden (§ 65 IV LauO NW 2000 bestimmt insoweit z.B. ausdrücklich, dass die Genehmigungsfreiheit nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen entbindet, die in dem Gesetz oder in anderen Vorschriften gestellt werden).

- Soll im Rahmen einer Bauvoranfrage die Zulässigkeit des Bauvorhabens betreffend bestimmter Vorschriften geprüft werden, so kommen nur noch solche Vorschriften in Betracht, die in dem Genehmigungsverfahren von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfen wären, wenn für das Bauvorhaben ein Genehmigungsantrag gestellt würde. Fällt mithin ein Bauvorhaben nach Art und Größe beispielsweise in ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren, so können nach wohl allg. Ansicht betreffend dieses Bauvorhabens im Rahmen einer Bauvoranfrage auch nur lediglich die Vorschriften abgefragt werden, die Prüfungsgegenstand in dem vereinfachten Genehmigungsverfahren sind.

- Will der Architekt von solchen Vorschriften, die nicht im Prüfungsumfang der Genehmigungsbehörde enthalten sind, abweichen, so muss er hierzu einen gesonderten Antrag stellen (vgl. z.B. § 68 Abs. 7 LBauONW 2000).

- Wird für ein Bauvorhaben im Rahmen eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach nur eingeschränkter Prüfung öffentlich-rechtlicher Vorschriften eine Baugenehmigung erteilt, so erstreckt sich die (Legalisierungs-)Wirkung der Baugenehmigung und damit auch der Bestandsschutz der Baugenehmigung nur auf die geprüften Vorschriften. Wird in einem Genehmigungsfreistellungsverfahren ein Bauvorhaben ohne Baugenehmigung durchgeführt, so genießt dieses Bauvorhaben – hiervon muss jedenfalls zunächst ausgegangen werden – keinen oder jedenfalls nur einen sehr eingeschränkten Bestandsschutz

In NRW beispielsweise muss nach derzeitiger Rechtslage davon ausgegangen werden, dass eine genehmigungsfreigestelltes Bauvorhaben, wenn die Nichtigkeit des zugrundeliegenden Bebauungsplans schon während der Bauphase festgestellt wird, wohl i.d.R. stillgelegt werden müsste, da es den dann geltenden planungsrechtlichen Vorschriften widersprechen dürfte, vgl. auch § 67 VIII LBauO NW 2000.

Nicht abschließend geklärt ist auch die Frage, wie lange sich etwa ein Nachbar auf die Verletzung solcher (auch nachbarschützender) Vorschriften wird berufen können, die von der Genehmigungsbehörde auf Grund des vereinfachten Genehmigungsverfahrens oder des Genehmigungsfreistellungsverfahren nicht geprüft wurden; denn insoweit wird eine bestandskräftige Genehmigungsentscheidung der Baubehörde, die dem Nachbarn entgegengehalten werden könnte, nicht vorliegen.

Im übrigen wird der Architekt auch und insbesondere im Genehmigungsfreistellungs- bzw. im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu beachten haben:

- Eine möglichst frühzeitige und weitgehende Abstimmung mit den jeweilig zuständigen Behörden, insbesondere Baugenehmigungsbehörden, im Genehmigungsfreistellungsverfahren über die Zulässigkeit dieses Verfahrens, im vereinfachten Genehmigungsverfahren jedenfalls über die von der Behörde zu prüfenden Vorschriften;

- Soweit die Bauordnungen für Bauvorhaben, die eigentlich dem Genehmigungsfreistellungsverfahren unterfallen, die Wahl des vereinfachten Genehmigungsverfahrens zulassen, die Aufklärung des Bauherrn nicht nur über die Vorteile des Genehmigungsfreistellungsverfahrens (Zeit- und Kostenersparnis), sondern auch auf die möglichen Nachteile; oftmals wird die Wahl des vereinfachten Genehmigungsverfahrens zu empfehlen sein;

- Im vereinfachten Genehmigungsverfahren u.U. das Einreichen einer Bauvoranfrage betreffend derjenigen Vorschriften, die im Prüfungsumfang der Behörde enthalten sind;

- Das Einholen von Nachbarzustimmungen;

- Die ausreichende und nachweisbare Aufklärung des Bauherrn über die Risiken der vom Bauherrn gewünschten Ausführung im Hinblick auf die Genehmigungsfähigkeit,

- Insbesondere bei schwierigen Rechtsfragen ggf. der nachweisbare Rat an den Bauherrn, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

Vergleiche ausführlich unter Tips und mehr / .. / Genehmigungsfähige Planung sowie zu entsprechenden Urteilen unter Haftung / .. / genehmigungsfähige Planung. In allen Fällen, in denen der Architekt die Möglichkeit der fehlenden Genehmigungsfähigkeit erkennt, gleichwohl aber „weiter plant“, besteht die erhebliche Gefahr, dass der Haftpflichtversicherungsschutz entfällt. Hierüber sollte sich der Architekt im Klaren sein, ggf. sollte er Rücksprache mit seiner Haftpflichtversicherung halten.

Der BGH hat bereits ausdrücklich ausgesprochen, dass er es grundsätzlich für zulässig erachtet, wenn die Parteien die Verteilung der Risiken einer fehlenden Genehmigungsfähigkeit der Planung bereits im Architektenvertrag ausdrücklich regeln. Unter Berücksichtigung der in den letzten Jahren stetig ansteigenden Anforderungen an die Genehmigungsfähigkeit der Planung des Architekten bei gleichzeitiger erhöhter Unsicherheit, was eine Genehmigungsbehörde oder ggf. ein Verwaltungs- oder Oberverwaltungsgericht als genehmigungsfähig erachtet, ist dem Architekten nach Ansicht des Verfassers dringlich Folgendes zu raten:

Insbesondere bei Bauvorhaben, bei denen die Wünsche des Bauherrn absehbar zu Konflikten mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften führen wird, sollte der Architekt das sich hieraus ergebende Risiko für die Genehmigungsfähigkeit der Plaung dem Bauherrn hinreichend und nachweisbar verdeutlichen und versuchen, eine Regelung in den Vertrag aufzunehmen, nach welcher der Bauherr das Risiko der Verweigerung oder späteren Aufhebung der Baugenehmigung trägt. In einer solchen Regelung sollte ausdrücklich niedergelegt werden, dass der Bauherr sich über das Risiko der fehlenden Genehmigungsfähigkeit der von ihm gewünschten Planung für das bestimmte Bauvorhaben im Klaren ist und dass der Architekt für eine Nichterteilung der Baugenehmigung oder für eine spätere Aufhebung der Baugenehmigung nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck