Am Fuß des Bettenhochhauses
Charité-Umbau in Berlin von heinlewischer
82 Meter hoch ragt das Bettenhaus der Berliner Charité über seiner Umgebung auf. Ursprünglich stammt der Entwurf von Karl-Ernst Swora und Dieter Bankert aus dem Jahr 1982. Allerdings erhielt das Hochhaus bei seiner umfassenden Modernisierung bis 2016 durch Schweger Architekten (Hamburg) ein komplett neues „Kleid“. Im Rahmen dieser Sanierung fand auch eine Neuorganisation im Inneren statt. Dadurch ergab sich unter anderem die Gelegenheit, den ehemaligen Operations- und Intensivmedizinischen Bereich neu zu nutzen, der als sechsgeschossiger Bau nördlich ans Bettenhochhaus angrenzt. Der Bau steht am Platz vor dem Neuen Tor und bildet damit eine repräsentative Adresse für die Charité. Entsprechend sollte die Neugestaltung den Bau attraktiver und einladender machen. Den Wettbewerb gewann der Berliner Standort von heinlewischer.
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Nach dem Umbau ist nun das Rahel Hirsch Center for Translational Medicine eingezogen, eine interdisziplinäre Forschungsabteilung der Charité. Ebenfalls eingezogen ist das Berlin Institute of Health (BIH). Ziel der dortigen Forschung ist es, „Ergebnisse aus dem Labor möglichst rasch in die Klinik [...] zu übertragen“, schreiben heinlewischer in ihrer Projektbeschreibung. Von den insgesamt 14.875 Quadratmetern Nutzfläche im Gebäude werden rund 9.600 Quadratmeter vom BIH in Anspruch genommen. Forschungslabore, Technologieplattformen, Studienzentren und Ambulanzbereiche, eine Tagesklinik, eine Portalambulanz sowie die Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie inklusive Operationssäle und ein Hauttumorzentrum – ein ebenso umfangreiches wie anspruchsvolles Raumprogramm also.
Das Bestandsgebäude wurde bis auf den Rohbau zurückgebaut, die tiefen Grundrisse mit einem neuen Innenhof, einem Atrium und einer zweigeschossigen Eingangshalle geöffnet. Auf dem Dach wurde ein Staffelgeschoss ergänzt. Das hohe Atrium bildet die Schnittstelle zwischen Klinik, Forschung und Öffentlichkeit. Auf allen Ebenen gibt es direkte Übergänge zum Bettenhaus. Zudem geht der Blick vom Atrium hinauf zum Glasdach, durch das es auch eine visuelle Verbindung zum von oben freundlich herabschauenden Bettenhaus gibt. Eine Lichtskulptur von Ulrike Brandi verleiht dem Atrium eine besondere Aura. Sogenannte Kommunikationszonen bilden am Innenhof einen Übergang von den öffentlichen Bereichen in die introvertierten Ambulanz- und Laborräume. Das Staffelgeschoss beherbergt eine Bürolandschaft.
Die Fassaden wollen Eigenständigkeit und Zugehörigkeit gleichzeitig signalisieren. Umlaufende Gesimsbänder und horizontale Fassadenschwerter verweisen auf das Bettenhochhaus. Die Lochfassade am Robert-Koch-Platz orientiert sich an den historischen Gebäuden ringsum. Der zurückgesetzte Eingangsbereich wiederum setzt mit seiner dunklen Stahl- und Glasfassade einen neuen Akzent und erleichtert die Orientierung.
Seinen neuen Name erhielt das Zentrum übrigens 2023. Damit wird das Lebenswerk von Rahel Hirsch geehrt, die an der Charité forschte und 1913 als erste Medizinerin in Preußen zur Professorin ernannt wurde. Nach der Machtübernahme durch die Nationsozialisten durfte sie nicht mehr praktizieren und ihre Titel wurden ihr entzogen. 1938 emigrierte sie nach London, wo ihre Approbation nicht anerkannt wurde und sie sich als Laborassistentin und Übersetzerin durchschlagen musste. Sie starb 1953 in einer Nervenheilanstalt am Rande Londons. (fh)
Fotos: Brigida González, Konstantin Börner