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09.07.2024
Zirkularität unter Laborbedingungen
Mock-up für Holzhochhaus in Berlin
Das Natural Building Lab der TU Berlin hat einen kleinen Ausschnitt eines von Partner und Partner in Wolfsburg geplanten Holzhochhauses gebaut. Mit dem Forschungsprojekt wollen sie demonstrieren, was im zirkulären Bauen bereits möglich ist – und was noch nicht. BauNetz hat den jungen Projektleiter Moritz Henes während der Bauphase getroffen.
Von Maximilian Hinz
Moritz Henes hievt gerade eine Vollholzstütze per Gabelstapler in Position. Eine Ecke passt nicht in die vorgesehene Vertiefung. Kurzerhand schleift er ein wenig Holz ab – neuer Versuch, ein kräftiger Ruck, sitzt. In einer Werkhalle der TU Berlin baut Henes als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Natural Building Lab (NBL), dem Lehrstuhl von Eike Roswag-Klinge, einen sogenannten 1:1-Demonstrator. Dieses Mock-up bildet eine Gebäudeecke aus dem Woodscraper nach. Das Holzhochaus planen und realisieren Partner und Partner (Berlin) derzeit in Wolfsburg. Eins zu eins ist dabei der Maßstab des Gebäudeteils, dessen Aufbau soll nun kreislauffähiges Bauen quasi unter Laborbedingungen demonstrieren.
Das Mock-up ist eingebettet in ein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördertes Forschungsprojekt, das von Partner und Partner federführend geleitet wird. Das Ziel: Am Beispiel des Woodscrapers soll eine übertragbare Strategie für zirkuläre Holzbauweise entwickelt werden, die zudem planungsbegleitend Investitions- und Lebenszykluskosten darstellt. Die Aufgabe des NBL ist es dabei, rückbaubare Holzbauweisen in der Gebäudeklasse 5 konkret zu erproben. Im Sommer präsentierte der Lehrstuhl das aufgebaute Mock-up auf der „Woche der Umwelt“ in Berlin, zu der die DBU gemeinsam mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eingeladen hatte.
Das Team um Henes prüfte jedes einzelne Bauteil der nachgebauten Gebäudeecke auf seine Kreislauffähigkeit. Im Ergebnis veränderten sie beinahe alle Details im Schichtaufbau oder in den Verbindungen – obwohl das Original bereits vergleichsweise klimagerecht geplant ist und 2020 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur gewann. So sind etwa die tragenden Elemente nicht wie üblich mit Stahlverbindern angeschlossen. Das NBL fräste stattdessen Ausklinkungen aus den Brettsperrholz-Deckenplatten, sodass die Stützen aus Brettschichtholz in passgenaue Vertiefungen versenkt werden konnten. Holzbaunägel ersetzen Metallteile, X-förmige Holzverbinder koppeln die Deckenelemente, Abdichtungen und Dämmungen sind in natürlichen oder wiederverwendbaren Materialien ausgeführt.
In der Realität?
Sind diese Anpassungen denn in der Realität umsetzbar? Technisch sei das meiste heute kein Problem, so Henes. Normen, Zeitdruck, Kosten und auch die monetär verwertbare Fläche würden derartige Bauweisen aktuell aber verhindern. Die Bauteilaufbauten des Mock-ups benötigten mehr Konstruktionsfläche als das Original, erklärt er. Lehmbauplatten sind dicker als Gipsfaser, die lose Schaumglasdämmung im Dach dicker als Mineralwolle. Es geht hier um Zentimeter, aber auf ein ganzes Haus gerechnet, stünden unterm Strich weniger Quadratmeter zur Verfügung.
Zudem bräuchte es für die meisten Bauteile Zulassungen im Einzelfall. Der Bodenaufbau beispielsweise, für den das Team Trittschalldämmung aus Kokos- und Holzweichfaser sowie eine Beschwerung aus Lehmsteinen verwendete, sei in dieser Zusammensetzung nicht auf die notwendigen Schallschutzwerte geprüft. Den Lehm lieferte die Baugrube vor Ort in Wolfsburg. Firmen, die so etwas tatsächlich auf der Baustelle umsetzen, gibt es wenige.
Der größte Knackpunkt liege aber in der Vorfertigung, sagt Henes. Beim Woodscraper werden die Fassadenelemente als komplettes Paket – auf Abbrand berechnete BSP-Außenwand inklusive Fenster und Verkleidung – an den Rohbau gehoben. Die Schichten dieser Bauteile müssen im Werk, also von einer Seite, aufeinander gebaut und fest verbunden werden, was allerdings der Möglichkeit widerspricht, einzelne Materialien wieder auszubauen. Dem Team sei es noch nicht gelungen einen reversiblen Wandaufbau zu entwickeln, den man ähnlich vorproduzieren und vor allem per Kran heben könne. In der hängenden Position würde ihre alternative Konstruktion momentan nicht halten.
Wieder alles auseinander
Als nächstes steht der Realitätscheck in Sachen Zirkularität an. Im Herbst baut das NBL das Mock-up zum Teil ab und wieder auf. Dabei wird sich zeigen, wie gut die Bauteile dekonstruiert und wiederverwendet werden können. Das Team dokumentiert jedes Produkt und prüft die Qualität nach dem Ausbau. Bleibt etwa genug Material in den Holzelementen übrig, um sie auch für andere Bauaufgaben einzusetzen? Oder können die Bauteile aufs Neue zertifiziert werden? Hier könnte das Projekt auch eine Anregung für die Hersteller sein, ihren Produkten eine entsprechende Garantie oder Rücknahmeoption zu geben.
Das gesamte Forschungsprojekt, das die DBU mit etwa 440.000 Euro fördert, läuft noch bis 2025. Neben der Arbeit vom NBL gehören dazu noch zwei weitere Teilprojekte, die sich ebenfalls am Woodscraper orientieren. Das Münchner Softwareunternehmen CAALA entwickelt ein BIM-basiertes LCA-Plugin, das Stoffstrombilanzen während der Planung ermöglichen soll. EE Concept aus Darmstadt arbeitet darauf aufbauend an einer vergleichenden Lebenszyklusanalyse.
Fotos: Jan Rottler, Natural Building Lab