26.04.2023

Paradedisziplin Zirkularität

Baustellenbesuch in der Mannheimer U-Halle von Hütten & Paläste

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Die Außenwände der U-Halle wurden entweder abgerissen und recycelt oder in ihrem Zustand – samt leberwurstfarbenem Putz – belassen und aufgebessert.

Zirkuläres Bauen ist hierzulande mit einigen Hürden verbunden. Dass es eigentlich ganz einfach laufen kann, zeigen Hütten & Paläste mit ihrer Transformation einer ehemaligen Militärlagerhalle in Mannheim. Wenngleich die Bauaufgabe hier eine dankbare war, ist das Ergebnis vorbildlich. Ein Baustellenbesuch mit Architekt Frank Schönert

Text: Maximilian Hinz

Seit nunmehr zwei Wochen läuft in Mannheim die diesjährige Bundesgartenschau (BUGA). Im Spinelli-Park, einem der zwei Areale, die die Stadt auserkoren hatte, wurde kürzlich ein Paradebeispiel des zirkulären Bauens fertiggestellt. Die sogenannte U-Halle ist das Herzstück eines einstigen Militärgeländes im Nordosten der Stadt, auf dem sich selbst die Mannheimer*innen bislang nicht so gut auskannten. Denn noch bis 2014 waren hier Einheiten der US-amerikanischen Streitkräfte stationiert, die die Kaserne seit 1948 nutzten. Zuvor waltete dort von 1938 bis 1945 die NS-Wehrmacht.

Knapp 80 Jahre Militärvergangenheit hatten städtebauliche Folgen, die mithilfe der BUGA nun teilweise revidiert werden sollen. Der 82 Hektar umfassende Spinelli-Park wird Teil eines Naturraums, der sich bis weit in die Stadt zieht. Rund 60 Hektar Fläche wurden dafür entsiegelt und begrünt. Zudem verbindet er die zuvor getrennten Stadtteile Käfertal und Feudenheim, an deren Rändern derzeit im Rahmen der BUGA neue Stadtquartiere entstehen.

Mut zum Pragmatischen

Mit der Transformation der 350 Meter langen U-Halle, die dem Militär als Lagerhalle diente, beauftragte die städtische Gesellschaft der Bundesgartenschau BUGA 2023 gGmbH das Berliner Büro Hütten & Paläste nach dem Gewinn des entsprechenden Wettbewerbs 2020. Mit Beginn der Messe wurde das Projekt nach rund vier Monaten Rückbau und acht Monaten Umbauzeit fertig. Angesichts der durchaus gewichtigen Rolle des Geländes für die Stadtentwicklung und das Image Mannheims lobte Architekt Frank Schönert den Mut der Stadt, hier ein eigentlich banales Gebäude als programmatischen Mittelpunkt ausgewählt zu haben.

Das daraus hervorgegangene Projekt ist jedoch keineswegs banal. Vielmehr vereint es kreislaufgerechte Bauprinzipien mit abwechslungsreich gestalteten Räumen – gerade dank eines wohltuend pragmatischen Ansatzes. Dahinter steht die Auffassung, Architekturen im stetigen Prozess denn als fertiges Produkt zu begreifen.

Inszenierung durch Fragmentierung

Gestalterisch sind es eigentlich nur wenige Maßnahmen, die das Berliner Büro hier anwendete. Zunächst wurde die äußerlich monotone Großform fragmentiert, indem man sie an mehreren Stellen auf ihre Tragstruktur reduzierte. Auf diese Weise entstand nicht nur eine Frischluftschneise, die zuvor vom Gebäude blockiert worden war. Die Architekt*innen arbeiteten so auch die verborgenen Qualitäten der seriellen Struktur heraus.

Vor allem wird die räumliche Kraft des Tragwerks sichtbar. Der erste Abschnitt der U-Halle wurde während der NS-Zeit gebaut, deutlich zu erkennen an den völlig überdimensionierten Betonrahmen. Die später hinzugekommene filigrane Stahlkonstruktion stammt aus der Nutzungsperiode durch das amerikanische Militär. Zusammen ergeben die Bauweisen ein spannendes Gebilde, das durch die neuen Raumsituationen variantenreich inszeniert wird.

Zirkuläre Ergänzungen

Wo sich vorher ausschließlich geschlossene Räume befanden, wechseln sich heute Bereiche ab, die zwischen innen und außen changieren. Für die Anpassungen der nun außenliegenden Zwischenwände entwarfen Hütten & Paläste einen ganzen Typenkatalog. Mal wurden die mit Backstein ausgefachten Brandwände schachbrettartig geöffnet, mal mit den vom Dach abgebauten Sandwichpaneelen verkleidet. An anderer Stelle hingegen konzipierten die Architekt*innen neue Wände aus geliehenen Baugerüsten mit einer Bekleidung aus recycelten Polystegplatten.

Die allermeisten Umbaumaßnahmen sind kreislaufgerecht, das heißt die Bauteile sind sortenrein trenn- und rezyklierbar, bereits recycelt oder im Originalzustand wiederverwendet. Die Herkunft der Materialien liegt maximal 140 Kilometer entfernt, wobei das nur für die Holzbauteile der größtenteils gesteckten Pfosten-Riegel-Konstruktionen gilt. Vieles hat nicht mehr als fünf Kilometer Wegstrecke hinter sich, etwa die Polycarbonatplatten aus Gewächshäusern im Mannheimer Luisenpark. Andere Bauteile – wie die Dachpaneele, abgebrochenes Mauerwerk oder Glasbausteine – haben sogar nur ihre Bestimmung innerhalb des Gebäudes gewechselt.

Die pragmatische Herangehensweise ist an vielen Stellen auch eine, die jeder Eitelkeit entbehrt. Etwa, als sich die Architekt*innen dazu entschieden, den leberwurstfarbenen Putz – wie ihn Schönert treffend beschreibt – einfach zu erhalten und auszubessern. Erfindungsreich zeigt sich derweil die Lösung für das anfallende Regenwasser auf den zuvor überdachten Böden. Gemeinsam mit den Landschaftsarchitekt*innen von Ramboll Studio Dreiseitl (Überlingen) ermittelte man die gegebenen Abflussstellen. Anschließend wurden dort große Quadrate ausgeschnitten, in denen nun Blumenbeete oder Kiesflächen für die Versickerung angelegt sind.

Anpassungsfähig und ressourcenschonend

Für die Gestaltung des Innenhofs samt Wasserbecken waren RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchiteken (Bonn, Köln) verantwortlich, die auch den Gesamtplan für das BUGA-Gelände verantworten. Besucher*innen können entweder einem Rundgang im Hof oder der parcoursartigen Durchwegung im Gebäude folgen. Dort reihen sich dann Ausstellungen, Blumenhallen, Seminarräume, Gastronomie sowie ein Funk- und TV-Studio aneinander. Noch bis Anfang Oktober wird die U-Halle von der BUGA bespielt. Danach soll der Bau für andere Nutzungen angepasst werden. An entsprechenden Studien arbeiten die Architekt*innen bereits.

Bei aller Vorbildlichkeit für das zirkuläre Bauen muss allerdings erwähnt werden, dass es sich um eine äußerst dankbare Bauaufgabe handelte. Weder an Brandschutz, Dämmung oder Abdichtung noch an die Tragfähigkeit knüpften sich besondere Anforderungen. Dennoch konnten Hütten & Paläste hier im großen Maßstab umsetzen, was sie zuvor schon in kleineren Projekten zeigten: ressourcenschonende und anpassungsfähige Umbauten, die über den gesamten Lebenszyklus gedacht sind.

Fotos: Daniel Lukac