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07.11.2022
Ein Leuchtturm fürs Bauhaus-Archiv
Baustellenbesuch in Berlin mit Volker Staab
Mit dem Erweiterungsbau von Staab Architekten erhält das Bauhaus-Archiv in Berlin nicht nur deutlich mehr Ausstellungsflächen. Endlich gibt es einen nachvollziehbaren Eingang – und mit dem symbolhaften Turm ein neues Wahrzeichen.
Von Florian Heilmeyer
Nun wird sie nach langen Tiefbauarbeiten langsam über der Erde sichtbar: die Erweiterung des Bauhaus-Archivs. Staab Architekten (Berlin) hatten den viel diskutierten Wettbewerb 2015 gewonnen, nachdem es bereits 2005 einen ersten Wettbewerb unter ganz anderen Vorzeichen gegeben hatte. Im Oktober erreichte die Stahlkonstruktion des neuen Turms an der breiten Straßenkreuzung nun die volle Höhe von 21,93 Metern. Das Museum spricht bereits vom „neuen architektonischen Wahrzeichen“ – im Zusammenspiel mit der markanten Sheddach-Fassade des Altbaus natürlich, den Walter Gropius ursprünglich für Darmstadt entwarf und der nach dessen Tod von Alexander Cvijanovic und TAC bis 1979 für das Berliner Grundstück erheblich modifiziert wurde.
Schon jetzt wird klar: Der Turm ist der neue Hauptdarsteller. Dabei ist er mit einem Grundriss von 14,5 auf 14 Metern sicher kein Koloss und ragt mit seiner Höhe kaum über die Weiden am Landwehrkanal und schon gar nicht über die umliegenden Bürogebäude aus den 1990er und 2000er Jahren hinaus. Er ist allerdings ein gutes Stück höher als der Altbau. Vor allem aber machen ihn seine freigestellte Position auf dem neuen Vorplatz und das auffällig unregelmäßige Tragwerk aus weißen Stahlstützen zum signalhaften, weithin sichtbaren Blickfang in diesem heterogenen, vom regen Autoverkehr geprägten Umfeld.
Das war ja letztlich auch der Auftrag im Wettbewerb: Neben zusätzlichen Ausstellungsflächen sollte ein klar erkennbarer Eingang geschaffen werden. Auf den Baustellenfotos sieht man noch die Ausgangssituation, diesen seltsam undefinierten Un-Ort an der Straße mit zwischen Parkplätzen, Hecken und Büschen verstecktem Zugang zur zentralen Eingangsrampe, dem sogenannten Skywalk. Die verwirrende Odyssee über diese Rampe bis zum eigentlichen Eingang auf der anderen Gebäudeseite wurde dadurch nicht angenehmener, dass die Räume im Altbau für die nicht vorgesehene Nutzung als Ausstellungsflächen vollständig verklebt und abgedunkelt werden mussten. Die geplante Leichtigkeit und helle Durchsichtigkeit des Gebäudes war damit von Anfang an perdu.
Wiedergewonnene Durchlässigkeit
So überrascht dann beim Baustellenrundgang vor allem der Eintritt in die hellen Hallen des Altbaus, die sich mit fast raumhohen Fensterfronten zum Landwehrkanal öffnen. Was für eine Befreiung! Alle störenden Einbauten sind entfernt, der Altbau auf seinen Rohbau zurückgeführt. Jetzt wird neue Technik verlegt, aber die Räume werden als Forschungssäle licht und offen bleiben. Das sorgt nicht nur für neue Sichtbeziehungen zum Außenraum, sondern auch zwischen den verschiedenen Gebäudeteilen und dem Skywalk, der weiterhin das Rückgrat des Ensembles aus Alt- und Neubau bilden wird.
Insgesamt gesehen ist der Entwurf, den Staab Architekten zusammen mit den Landschaftsplanern Levin Monsigny (Berlin) und den Ingenieuren Bollinger+Grohmann (Frankfurt am Main) entwickelten, eher eine Stadtlandschaft auf mehreren Ebenen als nur ein Gebäude: Rings um den neuen Haupteingang im Turm entsteht ein freier, öffentlicher Platz. Der Turm ist deutlich neben der Achse des Skywalks positioniert, sodass der Blick auf die Sheddach-Silhouette frei bleibt. In einem eingeschossigen, 50 Meter langen Neubauriegel entlang der Von-der-Heydt-Straße liegen Shop und Café. Das Foyer wird so von diesen Funktionen befreit, und der Platz erhält eine klare Kante gegen die viel befahrene Straße, öffnet sich stattdessen in Richtung Landwehrkanal.
Aktuell ist der Turm noch leer. Der Innenausbau mit Holzbauelementen erfolgt im Winter. Schon zu sehen ist allerdings die Betontreppe, die vom Erdgeschoss hinab führt ins eigentliche Hauptfoyer, das mit 265 Quadratmetern und einer lichten Raumhöhe von 3,50 Meter eine angenehme Größe hat. Außerdem wird der Blick hier in den 17 mal 44 Meter großen Innenhof gelenkt, wobei erneut der Altbau sichtbar ist, noch während man die Treppe hinuntersteigt. Ein Kellergefühl wird kaum aufkommen – auf der Baustelle ist die Wand noch offen, sie wird aber auch im Ausbau als raumhohe Glaswand mit breiten Schiebeelementen maximal durchlässig sein.
Der Innenhof ist der Dreh- und Angelpunkt der gesamten Anlage aus Alt- und Neubauten, das ist im Rohbau bereits deutlich zu erkennen. Ein Foyer soll ihn u-förmig mit drei Glaswänden umschließen, zum Altbau wird eine Freitreppe mit breiten Sitzstufen angelegt. Die eigentlichen Ausstellungsräume liegen noch eine Ebene tiefer, Treppen führen aus der Foyerebene erneut hinab in die Hallen mit 4,52 lichter Raumhöhe, die im Rohbau wie wahre Betonhöhlen wirken. Insgesamt erinnert die Anlage mit versenktem Innenhof, Wandelgang-Foyer und dem darüber aufragenden Turm an ein modernes Kloster, dem einzig noch ein Glockenspiel im Turm fehlen würde.
Der Turm als Symbol
Bleibt die Frage, was denn eigentlich in den fünf Etagen des Turms passieren wird. Volker Staab spricht von einem „Aktivitätsturm“. Im ersten Stock wird ein digitales Studio zum Bauhaus eingerichtet, darüber liegen zwei Etagen für die Museumspädagogik und eine für die „Lounge“, einen flexibel nutzbaren, allerdings kleinen Veranstaltungsraum. Mit Schiebetüren können die Etagen vom kleinen Treppenhaus abgetrennt werden, ansonsten soll der Turm auch ohne Eintrittskarte öffentlich zugänglich sein und Raum bieten für experimentellere und informellere Formate, wie sie in den letzten Jahren bereits im Ausstellungspavillon „bauhaus re use“ erprobt wurden.
Staab bezeichnet den Turm als Verbindungsglied zwischen Gegenwart und Vergangenheit des Bauhaus: „Das Bauhaus hat sich mit der Industrialisierung des Bauens beschäftigt, uns beschäftigt heute die Digitalisierung und ein klimafreundlicheres Bauen. Das ist ein ähnlich tiefgreifender Umbruch.“ Das historische Bauhaus habe sich durch die Lust am Experiment und das Interesse am Diskurs ausgezeichnet – daran könne man direkt anknüpfen. Deswegen habe man mit Bollinger+Grohmann ein Tragwerk für den Turm entwickelt, dessen Filigranität und Unregelmäßigkeit mithilfe digitaler Prozesse ausgereizt werden konnte. Zudem gehe es in diesem „Leuchtturm“ ja vor allem um die Vermittlung: „Die Frage, wie gute Gestaltung vermittelt werden kann, war ja auch im historischen Bauhaus ein zentrales Thema. Der Turm wird mit seiner hoffentlich möglichst lebendigen Nutzung ein Symbol dafür sein.“ Alle Bauarbeiten sollen 2024 beendet sein, die feierliche Wiedereröffnung folgt dann 2025.
Fotos: Marcus Ebener, Ruben Beilby