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20.02.2024
Barocke Rekonstruktion aus Holz
Baustellenbesuch bei dRMM in Berlin
Mitten in Berlins Regierungsviertel, umgeben von Büro- und Geschäftshäusern, liegt das barocke Ensemble des Schleiermacherhauses. Von den einst drei Pfarrhäusern sind nur noch zwei übrig, die zu den letzten erhaltenen Wohnhäusern der historischen Friedrichstadt gehören. Derzeit wird das dritte Gebäude wiederaufgebaut. Das Besondere: Das Haus wird in seiner barocken Erscheinung rekonstruiert – jedoch in Holzbauweise. BauNetz hat die Baustelle besucht.
Von Sophie Marthe
Im 17. Jahrhundert ließ der preußische König Friedrich l. vor den Mauern Berlins eine Stadterweiterung anlegen – die Berliner Friedrichstadt. Dazu gehörten auch die drei Pfarrhäuser auf dem Eckgrundstück Glinkastraße/Taubenstraße, die damals für die nahegelegene Dreifaltigkeitskirche entstanden. Letztere blieb nicht erhalten, ebenso wie eines der Pfarrhäuser, das 1946 einem Brand zum Opfer fiel.
Heute ist das Ensemble mit den zwei verbliebenen Bauten, der Gartenmauer und der dahinterliegenden Grünfläche Sitz der Evangelischen Kirchengemeinde St. Marien-Friedrichswerder. Diese entschloss sich, den Bau an der Glinkastraße wiederherzustellen – mit dem Ziel, die Flächen als Büroräume zu vermieten. In dem von der Gemeinde 2021 ausgelobten, nichtoffenen Wettbewerb setzte sich das Büro dRMM (London/Berlin) durch. Im August 2023 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Die Fertigstellung ist nach nur einem Jahr Bauzeit für den kommenden Sommer geplant.
Barocke Hülle
Überzeugen konnten die Architekt*innen mit der Idee, den Bau als Kopie wiederaufzubauen, dies jedoch in Holzbauweise und mit modernen, offenen Grundrissen. Die wenigen Reste des Bestands – straßenseitig ein Stück Mauer sowie einige Kellerwände in der nordöstlichen Gebäudeecke – bleiben erhalten und werden in den Neubau integriert. Um die Last der aufliegenden Konstruktion abzufangen, wird die straßenseitige Mauer von Stahlbetonträgern gerahmt.
Die Hülle wird einschließlich des Mansarddachs aus Brettsperrholz gefertigt. Für die Träger kommt Buchenfurnierschichtholz zum Einsatz, während für die übrige Konstruktion Fichtenholz verwendet wird. Die Gründung sowie Bodenplatte, Aufzugsschacht und Träger um die Bestandsmauer bestehen aus Stahlbeton. Um die Rekonstruktion in einer kurzen Bauzeit realisieren zu können, werden vorgefertigte Elemente verwendet. Das betrifft neben den Holzelementen und der Treppe auch den Beton-Aufzugsschacht.
Die Konstruktion wird in ein Wärmedämmverbundsystem mit Mineralwolle gekleidet. Für die Nachbildung der Fassade erstellten die Architekt*innen ein digitales Modell des baugleichen Pfarrhauses, das an der Taubenstraße liegt. Auch die Fassadendetaillierungen werden aus Holz vorgefertigt. Abschließend wird ein durchgefärbter Putz verwendet, der die Farbigkeit der Bestandsbauten aufnimmt. Das Dach wird mit Biberschwanzziegeln gedeckt.
Ein Geschoss extra
Die Fassadengestaltung einschließlich der Fenstersetzung wurde im Wesentlichen durch die Vorgaben des Denkmalschutzes bestimmt. Unter großem Aufwand gelang es dRMM dennoch, ein zusätzliches Geschoss unterzubringen. Das Mansarddach wird neben dem zweiten nun auch ein drittes Obergeschoss aufnehmen. Jedoch wird der mühsam errungene Raum künftig nur als Lager oder Ähnliches genutzt werden können, da die Entfluchtung über das Dach und der daran geknüpfte Rettungssteg vom Denkmalschutz nicht zugelassen wurden. Lediglich die vergrößerten Dachgauben im zweiten Obergeschoss genehmigte das zuständige Amt. Sie orientieren sich in ihren Maßen an dem nebenliegenden Eckgebäude.
Um einen barrierefreien Zugang zu gewährleisten, wird sich das Erdgeschoss – abweichend von den Bestandsbauten – auf Straßenniveau befinden. Um die Geschosshöhe auszugleichen, zogen die Architekt*innen die Rippendecke bis zur Oberkante der Fenster nach unten. Das wird über die Geschosse fortgesetzt, wodurch nicht nur die Raumhöhen, sondern auch die Brüstungshöhen variieren.
Die nächsten 300 Jahre
Seit knapp 300 Jahren sind die beiden Bestandsbauten bereits in Nutzung. Dies sei auch das Ziel für den Neubau, sagt der projektverantwortliche Architekt Jonas Lencer. Dazu beitragen sollen vor allem die flexiblen Grundrisse, die auf tragende Innenwände verzichten. Damit weicht der Neubau innen wesentlich von dem Vorgängerbau ab. Was bleibt, ist eine axiale Grundrissgliederung. Doch anstelle eines Treppenraums schließt nun ein Saal an den zentralen, straßenseitigen Eingang, der sich bis zur Gartenfassade erstreckt. Als größte Herausforderung beschreibt Lencer den Brandschutz. Während der Aufzugschacht aus Beton gefertigt ist, erhielten die Holzwände des Treppenhauses eine Brandschutzbeplankung. Die übrige Konstruktion sei auf Abbrand berechnet.
Rückseitig schließt künftig eine Terrasse an den Neubau an. Die Freiraumplanung des Gartens übernimmt das Berliner Landschaftsarchitekturbüro Gruppe F. Während der Bauarbeiten wurden über Tiefenbohrungen Erdsonden gesetzt, sodass der Neubau ebenso wie der Bestand künftig mit Erd- und Fernwärme versorgt werden können. Das Projektbudget wird aktuell mit rund 4,2 Millionen Euro kalkuliert.