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06.07.2023
Die Siedlung lebt
Baustellenbesuch bei ZRS Architekten Ingenieure in Berlin
ZRS gehört zu den Pionieren des ökologischen und einfachen Bauens. Am Rand von Berlin realisiert das Büro derzeit eine Reihenhaussiedlung als WEG mit 84 Parteien. Die Schlagworte lauten Flächeneffizienz, Vorfertigung und Wärmepumpen. Wie oft ist es bei ZRS weniger die architektonische Gestaltung, die hervorsticht, als vielmehr der Anspruch an klimagerechtes Bauen.
Von Maximilian Hinz
Reihenhäuser sind gewissermaßen ein Sonderfall des Wohnungsbaus. Prinzipiell zählen sie zwar zum Typus Einfamilienhaus. Was den Flächen- und Energieverbrauch angeht, sind sie jedoch um einiges weniger verschwenderisch als die freistehenden Exemplare. Dennoch erfüllen sie den Traum vom Eigenheim mit Garten. So auch in der 84 Einheiten umfassenden Reihenhaussiedlung, die das private Immobilienunternehmen Ziegert Group derzeit in Berlin-Pankow errichten lässt.
Das 2,3 Hektar große Grundstück liegt inmitten von Einfamilien- und weiteren Reihenhäusern am nördlichen Stadtrand. Als Eigentümerin und Bauherrin tritt die von Ziegert eigens dafür gegründete Projektgesellschaft Wohnländer Objekt 1 auf. Verantwortlich für die Umsetzung ist Ziegerts hausinterne Projektentwicklerin Incept, die für das Vorhaben 2018 ein Werkstattverfahren unter vier Büros ausgelobt hat. Dieses konnten ZRS Architekten Ingenieure als Generalplaner*innen gemeinsam mit Schönherr Landschaftsarchitekten (beide Berlin) und den Energieplaner*innen von IB Hausladen (Kirchheim bei München) für sich entscheiden.
Klein, schnell und vorgefertigt
Im September 2022 fand die Grundsteinlegung des sogenannten Quartiers Kokoni One statt. Inzwischen ist der Rohbau von 37 Hauseinheiten abgeschlossen, das erste Reihenhaus sogar schon bezogen. Aufgrund der umfassenden Vorfertigung fast aller Bauteile sei man etwa doppelt so schnell wie bei einer konventionellen Bauweise, so die Verantwortlichen. Die Außenwandmodule wurden als Holztafelbau mit Zellulose-Einblasdämmung im Werk hergestellt, ebenso die Dachelemente. Die hinterlüftete Fassade besteht aus unbehandeltem Lärchenholz europäischer Herkunft. Bis auf die Bodenplatten aus Stahlbeton und die Perimeterdämmung ist der Rohbau somit komplett kreislauffähig. Auf einen Keller verzichtete man aus diesem Grund bewusst. Der Innenausbau ist hingegen eher konventionell. Nur die Brettsperrholzdecken bleiben holzsichtig, der Rest wird mit Gipsfaserplatten beplankt.
Es gibt vier Haustypen, die von 95 Quadratmetern bis 167 Quadratmetern Wohnfläche reichen. Darin sollen Wohngemeinschaften von zwei bis fünf Personen Platz finden. Im besten Fall wird der Wohnflächenverbrauch mit 33 Quadratmetern also deutlich unter dem deutschen Mittel von etwa 48 Quadratmetern liegen. Angesichts von Flächenverschwendung und Wohnungsmangel ist es wichtig, diese seit Jahren steigenden Zahlen zu besprechen. Eine Reduzierung wie hier scheint daher sinnvoll, wenngleich es beim Quartier eine Einschränkung gibt: Keines der Häuser ist so angelegt, dass eine spätere geschossweise Aufteilung möglich wäre. Wenn die Kinder ausziehen, bleiben die Eltern alleine im zu großen Haus zurück.
WEG ist Trumpf
Verkauft werden die Reihenhäuser zwar an einzelne Eigentümer*innen, die ganze Siedlung ist rechtlich aber eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) mit 84 Parteien. Das hat in baulicher Hinsicht gleich mehrere Vorteile. So mussten hinsichtlich des Brandschutzes die Wohnungstrennwände nicht über die Dachhaut geführt oder mit nicht brennbarer Dämmung versehen werden. Da durch die Rechtsform zudem sichergestellt wurde, dass die Eigentümer*innen ihre einzelnen Reihenhäuser nicht abreißen dürfen, wurden beispielsweise die Aussteifung und die Entwässerung vereinfacht.
Auch das Energiekonzept profitierte von der WEG und konnte als Quartierslösung geplant werden. So konnten die Photovoltaikmodule alle Baukörper als durchgehende Dachhaut bedecken. Der produzierte Strom (247.000 kWh im Jahr) fließt in ein quartierseigenes Netz und deckt den Bedarf der Wohnungen, der Ladeboxen für E-Autos sowie der zentralen Wärmepumpenanlage, die wiederum ein LowEx-Nahwärmenetz versorgt. Außerhalb der Heizsaison wird überschüssige Wärme in die Erde zurückgeleitet und so eine passive Kühlung ermöglicht. Das Ganze ist nicht nur fossilfrei, sondern führt insgesamt zu vergleichsweise niedrigen Betriebskosten von 3,50 Euro pro Quadratmeter. Hingegen seien die Baukosten – die Incept nicht angeben möchte – im Vergleich zu einer Bauweise ohne Holz deutlich höher. Für die Käufer*innen bedeutet das letztlich Preise von circa 6.400 Euro pro Quadratmeter.
Autos und Zäune
In den Visualisierungen erscheint die Siedlung mit ihrer homogenen Gestaltung als ästhetische Einheit. Die Bewohner*innen haben allerdings die Möglichkeit, ihre Fassaden zu streichen oder beispielsweise Markisen anzubringen. Zäune wird es vorerst keine geben. Doch auch wenn die Eigentümer*innen für den kleinen Garten und die Terrasse nur Sondernutzungsrechte erhalten, steht es ihnen frei, später Zäune zu errichten. Die übrigen Flächen sind Gemeinschaftseigentum. Dazu gehören gemeinsam genutzte Höfe und Freiräume wie die zentrale Streuobstwiese inklusive Spielplatz und Gemeinschaftshaus, die die WEG gemeinsam verwaltet. Insgesamt umfasst die Siedlung circa 16.500 Quadratmeter Bruttogrundfläche, davon knapp 12.000 Quadratmeter Wohnfläche.
Zum Eigenheim gehört üblicherweise das eigene Auto. Den Planer*innen war es jedoch wichtig, die Siedlung weitestgehend frei davon zu gestalten. Lediglich eine Anliegerstraße wird durch das Areal führen. Dennoch werden die privaten Fahrzeuge optisch wohl mehr Einfluss haben, als es den Planer*innen lieb sein dürfte. Denn die Stellplätze – immerhin nur einer pro Einheit – befinden sich zu großen Teilen in den Lücken zwischen den äußeren Baukörpern. Der Blick ins Innere der Siedlung führt also vorbei an den Autos oder diversen Schuppen, die dort aufgestellt werden können.
Seit eineinhalb Jahren läuft der Vertrieb, bisher konnte knapp ein Fünftel der Einheiten verkauft werden – hauptsächlich an Familien aus Berlin, berichtet Incept. Ende 2024 will man mit der Siedlung fertig sein. Interessant bleibt die Frage: Suggeriert die Siedlung genug Offenheit, sodass sich auch die Nachbarschaft eingeladen fühlt?
Fotos: Ziegert GmbH, ZRS Architekten Ingenieure