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07.06.2017
Skulptural bis ins Detail
Baustellenbesuch bei Schulz und Schulz in Wolfsburg
Das weitläufige Wolfsburger Stadtgefüge, ein Bestandsbau aus den Siebzigerjahren und ein Bauherr, der selbst etwas vom Bauen versteht – mit dem neuen Nordkopf Tower für die Wolfsburger Stadtwerke stellen sich Schulz und Schulz einigen besonderen Herausforderungen. Den Wettbewerb gewann das Leipziger Büro 2014, für kommenden Herbst ist die Fertigstellung geplant. Ein Gespräch mit Ansgar Schulz und Projektleiter Dominik Schürmann über Fake-Schindeln, das Regelgeschoss als Sonderfall und die konstruktive Vermittlung zwischen Alt und Neu.
Von Stephan Becker
Der Nordkopf Tower in Wolfsburg befindet sich seit Ende 2015 im Bau. Was ist mit Blick auf Ihre eigene Bürogeschichte die Bedeutung des Projekts ? AS: Mit dem Tower knüpfen wir an unsere Arbeit mit skulpturalen Baukörpern an, die den Stadtraum fassen und gestalten. In diesem Sinne war sicherlich die Kirche in Leipzig wegweisend, wo es auf ähnliche Weise einen Ort zu definieren galt.
Das Gebäude in Wolfsburg entsteht für die dortigen Stadtwerke. Ist das eine besondere Situation, wenn der Bauherr selbst über viel Sachverstand verfügt? AS: Tatsächlich sind wir extrem glücklich über die Zusammenarbeit. Wir haben aber auch von Anfang an unsere Vorstellungen offen kommuniziert und dann schnell gemerkt, dass bezüglich der Grundausrichtung des Projekts viel Einigkeit herrscht.
DS: Bezeichnend ist vielleicht, dass wir oft das Gefühl haben, für einen privaten Bauherrn zu arbeiten. Es wird einfach sehr direkt kommuniziert – viel direkter, als in anderen öffentlichen Institutionen, wo sich die Verantwortung oft auf mehrere Ebenen verteilt. Und es gibt nicht nur viel Expertenwissen, sondern auch die notwendige Entscheidungsbefugnis – das macht jede Sitzung mit den Stadtwerken extrem effizient.
Bürogebäude zeichnen sich in räumlicher Hinsicht durch eine gewisse Effizienz aus. Gilt dies auch für den Bauprozess? AS: Wenn Sie auf die Wiederholung der Geschosse anspielen – so viel Repetition gibt es beim Nordkopf Tower ja gar nicht. Im Gegenteil, zählt man das Untergeschoss mit, dann ist bei diesem Projekt das Regelgeschoss eher der Sonderfall.
DS: Wobei der Rohbau ziemlich schnell errichtet war. Dafür gibt es jedoch im Ausbau noch viel zu tun, da wir für jede einzelne Abteilung bis ins Detail planen. Manche Elemente der Nutzung wiederholen sich zwar, aber im Ergebnis ist dann doch kein Stockwerk wie das andere.
Die ersten beiden Geschosse des Alt- und des Neubaus sind miteinander verbunden. Was waren da die Herausforderungen? DS: Nicht ganz einfach war es, ebenerdig an den Bestand anzuschließen. Als Planungsgrundlage diente darum ein Höhenraster, das auf den Altbau ausgerichtet ist. Und weil wir deutlich tiefer als der Altbau gründen, musste dieser zum Teil mit einer Hochdruckbodeninjektion unterfangen werden. In räumlicher Hinsicht war es unproblematisch, weil wir an der Anschlussstelle die großen Öffnungen der früheren Glasfassade nutzen konnten.
Der Altbau soll bei seiner geplanten Renovierung die gleiche Fassade bekommen wie der Neubau. Auf welche Art funktioniert das? DS: Die Fassade besteht ja aus kleinteiligen Metallschindeln, und das Raster spiegelt eben auch die Maße des Altbaus wieder, so dass wir das übertragen konnten.
Die Gesamtwirkung des Towers ist klar und reduziert, aber gerade deshalb kommt es auch auf die Qualität der Ausführung an. Gab es ein Detail, für das Sie besonders kämpfen mussten? AS: Nein, denn unser Ansatz, sich auf das Wesentliche zu reduzieren, bezieht sich ja nicht nur auf die Form, sondern gerade auch auf die Details – da lässt sich dann schlicht kaum mehr etwas einsparen. Aber im Ernst, gerade darin zeigt sich ja nach Mies das wahre Können. Anstatt nur auf Standardlösungen zurückzugreifen, verlassen wir uns lieber auf unsere Erfahrung.
Umgekehrt gefragt, gibt es beim Nordkopf Tower etwas, das viel einfacher aussieht, als es in Wirklichkeit war? DS: Die Fassade, weil aufgrund des kleinteiligen Rasters bei der praktischen Umsetzung nur ganz wenig Spielraum bleibt. Ein paar Zentimeter Verschiebung beim Rohbau bringt da leicht alles durcheinander. Kompliziert waren außerdem die geschlossenen Ecken. Die Schindeln sind ja überlappend angelegt, weshalb sie dort nicht genau im 90°-Winkel, sondern leicht schräg aufeinandertreffen – dafür waren einige Prototypen notwendig.
AS: Außerdem haben wir die Fake-Schindel erfunden, wie man in Anlehnung ans aktuelle Zeitgeschehen sagen könnte.
DS: Genau. Wir wollten ja ein homogenes Fassadenbild, weshalb die typischen Ankerlöcher eines Gerüstes natürlich ein Problem sind. Zusammen mit unserem Fassadenbauer haben wir dann eine Technik entwickelt, mit der sich eine neue über eine verschnittene Schindel schieben lässt.
Was würden Sie aus Wolfsburg gerne mitnehmen für künftige Projekte? AS: Das kann ich klar sagen: Bürogebäude können supertoll sein – ebenso wie private beziehungsweise halbprivate Bauherrn. Denn das war ja für uns ein Novum, schließlich haben wir bisher vor allem für öffentliche Auftraggeber gearbeitet. Und dann noch die Fassade, die bauen wir demnächst noch mal. Wo, das darf ich noch nicht verraten.