18.04.2023

Ein Haus für alle

Baustellenbesuch bei Holzer Kobler Architekturen in Sankt Peter-Ording

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Für die Holzkonstruktion verwendete man Sibirische Lärche. Die Räume im Erdgeschoss und die Fundamente sind aus brandschutz- und überflutungstechnischen Gründen in Stahlbeton ausgeführt.

Sie sind aus St. Peter-Ording nicht wegzudenken: Die Stelzenhäuser an den langen Stränden des beliebten Urlaubsdomizils. Zwischen den beiden Ortsteilen St. Peter-Bad und St. Peter-Dorf entsteht derzeit ein Gebäude, das an die über 100 Jahre alte Bauweise anzuknüpfen sucht. Die Neuinterpretation schwebt allerdings nicht wie seine Vorbilder über dem Sandstrand, sondern steht hinter dem Deich. BauNetz hat sich die Baustelle angesehen.

Von Dorit Schneider-Maas

Obwohl das von Holzer Kobler Architekturen (Zürich/Berlin) entworfene Erlebnis-Hus kurz vor der Fertigstellung steht, wirkt es noch immer recht unfertig. So mancher Einwohner St. Peter-Ordings erklärte bereits, er würde sich den Bau erst ansehen wollen, wenn das Baugerüst entfernt worden sei, erzählt Architektin Andrea Zickhardt während der Baustellenführung. Die Konstruktion erweckt den Eindruck, man hätte eines der traditionellen Stelzenhäuser auseinandergenommen und den daraus entstandenen Bausatz zu einem neuen Ganzen zusammengefügt. Die Stelzen setzen sich nun zu einem riesengroßen Stecksystem zusammen, in dessen Zwischenräume unterschiedlich große Quader geschoben wurden, in denen die eigentlichen Funktionen liegen.

Erlebnispromenade und Erlebnishaus

Ursprünglich sollte lediglich die Uferpromenade landschaftlich neu gestaltet werden. Den Wettbewerb von 2016 konnte das Landschaftsarchitekturbüro Uniola für sich entscheiden. Aus dem Projekt entwickelte sich schließlich die Idee, die sogenannte Erlebnispromenade um ein wettergeschütztes „Erlebnishaus“ zu erweitern. 2017 wurde der Entwurf von Holzer Kobler bei dem hierfür ausgelobten Wettbewerb ausgewählt.

Das zwischenzeitlich auch als „Familientreff“ betitelte Projekt stehe unter dem Motto, ein „Haus für alle“ zu sein, so Zickhardt. Es solle ein Ort „ohne Einschränkungen und mit Spielstationen sowie Bereichen für alle Altersgruppen“ entstehen. Damit ergänzt das Haus, mit dessen Bau im April 2021 begonnen wurde, als Endpunkt die Erlebnispromenade, die sich entlang des Deiches erstreckt und Rastplätze, Liegewiesen, Aussichtsplattformen sowie einen Fitness-Parcours mit Outdoor-Geräten und Themenspielplätze bietet.

Wenn schon nicht als Baugerüst, so lässt sich der Neubau doch als großes Klettergerüst beschreiben. In die untere Ebene wurden bereits mehrere Spielgeräte eingehängt und -geschoben – darunter eine große Schaukel sowie Netze oder hängende, bewegliche Spiegelelemente. Die Gemeinde als Bauherrin sei durchaus experimentierfreudig gewesen, sagen die Architekt*innen. Das beweist nicht zuletzt die Planung von Deutschlands höchster Rutsche: Sie wird sich von der fünften Ebene durch die Konstruktion hindurch schlängeln und die Rutschenden fast 21 Meter tiefer auf Promenadenebene wieder ausspucken.

Auch der Skatepark wird womöglich viele Jugendliche anziehen, während die gerüstartige Holzkonstruktion vielleicht den ein oder anderen Parkourläufer inspirieren dürfte. Über Sicherheitsmaßnahmen wie zum Beispiel ein Einzäunen der Anlage wolle die Bauherrin erst zu einem späteren Zeitpunkt nachdenken, berichten die Architekt*innen auf Nachfrage.

Holzkonstruktion aus Sibirischer Lärche

Die gerüstartige Holzkonstruktion ist ganz eindeutig prägendes Merkmal des Baus. Gleichzeitig bereitete das frei bewitterte System – das in einem Raster von 4,5 mal 4,5 Metern angelegt wurde – den Planer*innen auch ordentliches Kopfzerbrechen. Die extremen Wetterverhältnisse an der Küste hätten viele Herausforderungen mit sich gebracht – besonders in Bezug auf die Langlebigkeit und den Brandschutz, sagt Architekt Max Kaske.

Man habe sich schließlich gemeinsam mit Expert*innen und Fachplaner*innen für Sibirische Lärche (im Gegensatz zu den aus Pfählen aus Eiche der traditionellen Stelzenhäuser) entschieden, die als besonders robust gelte. Die Knotenpunkte des Stützenrasters wurden zusätzlich mit Stahlaussteifungen versehen. Lediglich das Treppenhaus wie auch die Lagerräume im Erdgeschoss und die Fundamente wurden aus brandschutz- und überflutungstechnischen Gründen in Stahlbeton ausgeführt.

Verschiedene Nutzungsmöglichkeiten

In den fünf Boxen, die mit einer hellgrau gestrichenen Täfelung aus Fichtenholz verkleidet wurden, sind auf rund 3.600 Quadratmetern unterschiedliche Nutzungen untergebracht. Die erste Plattform befindet sich auf Höhe der Deichkrone mit Zugang zum dortigen Fußweg.

Herzstück des Projekts ist der größte „Spielekubus“, der sich über zwei Etagen erstreckt und in dem eine Koch- und Backinsel sowie Ruhebereiche und Tobegelegenheiten vorgesehen sind. In dem Raum mit großer Glasfassade wird die Holzkonstruktion auch im Inneren sichtbar.

In einer weiteren Box soll ein Digitallabor für Jugendliche und Erwachsene mit Co-Working-Bereich untergebracht werden. Der Sanitärbereich bietet öffentliche (genderneutrale) Toiletten, während die Tourismusverwaltung ihren eigenen Quader erhält. Ganz oben befindet sich ein Restaurant, das über eine große Terrasse mit Panoramablick verfügt.

Gestiegene Baukosten

Wie derzeit bei vielen Projekten zu beobachten, stieg auch in St. Peter-Ording der Baupreis um ein Vielfaches. Ursprünglich mit 5,8 Millionen Euro veranschlagt, stiegen die Kosten mittlerweile auf 12,3 Millionen Euro. Nicht zuletzt die Ausgaben für das verwendete Holz, die sich in der Planungszeit vervierfachten, seien Grund für die gestiegenen Kosten, so Zickhardt.

Erlebnispromenade und Erlebnis-Hus werden gefördert aus dem Landesprogramm Wirtschaft (2014–20) mit Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Das Land Schleswig-Holstein trug Gelder in Höhe von 7,6 Millionen Euro bei. Das Erlebnis-Hus soll noch im Mai dieses Jahres eröffnet werden.

Fotos: Holzer Kobler Architekturen


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