21.06.2018

Open-Source-Selbstbau

Baustellenbesuch bei Gründer Kirfel auf Schloss Bedheim

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Im April 2017 konnte der Grundstein gelegt werden. Foto: Studio Gründer Kirfel

Von Dina Dorothea Falbe

Vor etwa 800 Jahren wurde in Südthüringen ein Rittergut angelegt, das sich über die Jahrhunderte zu einem Schloss entwickelte. Von Renaissance bis Rokoko kommen im Schloss Bedheim viele Bauepochen zusammen. Vor einigen Jahren entschieden die Schlossbesitzer in das Schloss zu ziehen, ein Architekturbüro zu eröffnen und das Areal zu entwickeln. Aktuell errichten sie nun – neben denkmalgerechten Sanierungsmaßnahmen – gemeinsam mit den Bewohnern einen Neubau, der unter dem Namen „Sch(l)afstall“ auch als Projekt der IBA Thüringen gelistet ist.

Die neue Remise entsteht auf den Fundamenten des ehemaligen Schafstalls. Direkt am Eingang der Schlossanlage wird sie, zusammen mit dem 2008 eröffneten Gartencafé, eine Torsituation bilden und Besucher willkommen heißen, die dort auch einfache Unterkünfte vorfinden sollen. Das Interessanteste an dem Neubau ist sein Bauprozess: Die Architekten veröffentlichten alle Schritte der Baukonstruktion nach dem Open-Source-Prinzip in ihrem Blog und empfehlen die Nachahmung – weil viel selbst gebaut werden kann.

Im Herbst 2016 hatten die Schlossbewohner und Architekten Anika Gründer und Florian Kirfel sowie Erik und Nikola van der Werf zum zweiten Bedheimer Kamingespräch rund um das Thema Selbstbau eingeladen (siehe Baunetzwoche#474 Hands On). Im Anschluss entwickelte das Studio Gründer Kirfel (Bedheim) ein ehrgeiziges Konzept für die neue Remise: Das Projekt soll nicht nur neue Räume für die Schlossanlage schaffen, sondern ein Demonstrationsbau fürs Bauen mit Holz und Selbstbau sein. Es soll zeigen, dass der ohnehin im dörflichen Kontext verbreitete Selbstbau sich mit regionalen Hölzern „schneller, wärmer, ökologischer und ökonomischer“ umsetzen lässt. „Trotz des Holzreichtums in der Region leidet der Holzbau immer noch unter dem Vorurteil, nicht solide oder sehr teuer zu sein“, schreiben die Architekten.

Obwohl sie durchaus die Pflege regionaler Baukultur anstreben, haben die Architekten, die zugleich Bauherrn der neuen Remise sind, keine Vorbehalte gegenüber neuen oder nicht-regionaltypischen Techniken. Für den Neubau in Bedheim adaptierten sie die in Nordamerika verbreitete Bauweise Platform Framing. Mit ihren immer gleichen Holzquerschnitten und einfachen Verbindungen sei diese „hervorragend dazu geeignet, hochwertige und energieeffiziente Gebäude in kurzer Bauzeit wirtschaftlich und im Selbstbau zu erstellen.“ Drei Zimmerleute begleiteten den Bauprozess. Neben den Schlossbewohnern legten auch Studierende der Bauhaus-Universität Weimar sowie ein internationales Bauteam Hand an.

Nachdem das Fachwerk errichtet war, wurden die Wände und das Dach mit einem Gemisch aus Liapor-Blähtonkügelchen, Lehm und Wasser befüllt. Im Inneren wurde weiße Farbe aufgesprüht. Es handelt sich um eine Marmorkalk-Kaseinfarbe, die mit etwas Safloröl emulgiert wurde, so dass eine Art Temperafarbe entstand. Das Holz wurde vorher mit Kasein grundiert. Die Zimmermänner Philipp Bader und Stefan Feger, die bereits am gesamten Bauprozess beteiligt waren, fertigten auch die Fenster in enger Absprache mit den Architekten.

Obwohl das Schloss denkmalgerecht wiederhergestellt wird und auch der Neubau gestalterisch der historischen Anlage folgt, sind die Architekten keineswegs auf Holzbau und Satteldach festgelegt. Wenn sie nicht gerade Kunst am Bau machen, interessieren sie sich für den Umgang mit dem Baubestand, der auch nachkriegsmodern sein kann, wie beispielsweise ihr Einsatz für die Mensa am Park in Weimar zeigt.

Auch wenn die Anlage seit Jahrhunderten im Besitz derselben Familie ist, unterscheidet ein wesentlicher Aspekt das heutige vom barocken Schloss Bedheim: Das Schloss steht vielen unterschiedlichen Menschen offen, die in der Gärtnerei, im Café oder im Architekturbüro arbeiten, im Schloss wohnen – dazu ist ein neues genossenschaftliches Wohngebäude geplant –, Veranstaltungen besuchen oder einfach aus dem Dorf kommen, um einen Kaffee zu trinken. An sommerlichen Sonntagen ist das Gartencafé wieder geöffnet – bald wird es auch das Informationszentrum für Besucher in der neuen Remise sein.

Fotos: Studio Gründer Kirfel


Zum Thema:

Weitere Informationen zur Baukonstruktion sind im Bautagebuch zu finden.