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16.12.2024
Hochhaus-Umbau in Konstanz
Auf der Baustelle mit sauerbruch hutton
Einen Büroturm aus den 1960er Jahren zum Wohnturm zu transformieren ist keine leichte Bauaufgabe. Sauerbruch hutton haben beim ehemaligen Fernmeldehochhaus in Konstanz erfahren müssen, wo es im zirkulären Umbau noch Luft nach oben gibt.
Von Maximilian Hinz
Mit 62 Metern ist das ehemalige Fernmeldegebäude von Konstanz der zweithöchste Bau der Stadt. Einst kam hier das Postamt unter, später zog die Telekom ein. Architekt des 1971 fertiggestellten Hochhauses war der damalige Oberpostbaudirektor Hans Merkenthaler, der dem Stadtbild damit einen dominanten Baukörper verpasste. Samt Funkantenne kommt er gar auf 90 Meter Höhe und überragt so auch das Konstanzer Münster.
Seit 2021 wird das Hochhaus umgebaut. Auf den 15 ehemaligen Büroetagen entstehen derzeit 98 hochpreisige Apartments – plus Gewerbeflächen im Erdgeschoss und ein Staffelgeschoss ganz oben, das weiterhin die Telekom nutzt. Bauherrin ist die BPD Bouwfonds Immobilienentwicklung, die 2017 das ehemalige Telekom-Areal erwarb. Den 2019 ausgelobten Wettbewerb gewann sauerbruch hutton gemeinsam mit SINAI (beide Berlin). Die Baumaßnahmen im Turm umfassen rund 20.200 Quadratmeter Bruttogrundfläche. Auch das rückwärtige Technikgebäude wird die Telekom weiternutzen, durch einen Dachgarten soll es der Öffentlichkeit zugänglich werden. Links und rechts davon planen die Architekt*innen zwei neue Riegel mit einer Kita und weiteren 135, teils geförderten Wohnungen.
Ein Kind seiner Zeit
Die Fertigstellung des Hochhauses steht für Anfang 2026 im Kalender. „Es handelt sich um ein Gebäude aus den späten 1960er Jahren, mit all den Schwierigkeiten, die ein Haus dieser Zeit mitbringt“, erklärt Projektleiterin Vera Hartmann. Man hat es mit alten Normen bei der Gründung, dem Brandschutz und mit Asbest zu tun. Noch dazu ist die Statik filigran. Das verträgt sich nur schwer mit den Anforderungen von Wohnungen, wie etwa beim Schallschutz und den Sanitärsträngen.
Wie also gelingt die Transformation eines so hohen Hauses? Eine Voraussetzung sei Bestandsschutz zu vereinbaren, so Hartmann. So blieb es etwa bei einem Zentimeter Betonüberdeckung statt der heute üblichen drei Zentimeter. Weil sich die Ein- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen am Stützraster orientieren können, mussten nur sieben Prozent des Stahlbetonskeletts abgerissen werden – in CO2 übersetzt, habe man knapp 2.300 Tonnen gespart, sagt Hartmann.
Die Architekt*innen wollten die Erscheinung des Hochhauses erhalten, seinen Maßstabssprung aber verträglicher gestalten. Dieser Prämisse folgen sowohl die beiden neuen pavillonartigen Vorbauten Richtung Park als auch die neue Fassade der Längsseiten. Dort stellen sauerbruch hutton sogenannte Screens davor, haushohe Balkonschichten mit verschiebbaren Windschutzgläsern, deren wellenartig geknickten Brüstungen mit ihrer Keramikhaut zwischen Grün- und Blautönen changieren.
Die Branche ist stets bemüht
Ursprünglich wollten die Architekt*innen die Aluminium-Sandwichpaneele der alten Fassade für eine spätere Wiederverwendung zur Verfügung stellen. Sie holten das Büro Concular ins Boot, die das Material prüften. Eine thermografischen Analyse ergab, dass die Dämmschicht mit Schadstoffen belastet war und sich infolge jahrelanger Sonnenbestrahlung gelöst hatte. Die Materialien zu trennen, wäre zu teuer geworden. Aus dem Plan wurde nichts.
Mittlerweile, sagt Dominik Campanella von Concular, gebe es geeignete Methoden für die sortenreine Trennung. Im Zweifel würde man die Bauteile zwischenlagern, die entsprechende Infrastruktur sei heute vorhanden. Zudem arbeite man inzwischen nicht mehr mit Abrissunternehmen zusammen, sondern mit Handwerksbetrieben, die zielgerichteter und günstiger seien.
Folgt man wiederum Hartmanns Bericht über den Umbau des Konstanzer Fernmeldehochhauses, ist in der Baubranche längst nicht alles bereit für eine konsequente Zirkularität. Viele Hersteller hätten Nachholbedarf beim Thema Umbau. Andersherum wiege der Umbauzuschlag für Architekt*innen den Aufwand für zig Sonderlösungen nicht auf. Den entscheidenden Schub könnte eine angemessene CO2-Bepreisung bewirken. Letzteres sagen beide, Architektin Hartmann und Betriebswirtschaftler Campanella.
Fotos: sauerbruch hutton, Concular, Ponnie Images