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22.02.2019
Zwischen Memphis-Sesseln und Carlton Regal
Tobias Groß über Marcel Breuer, Erich Brendel und Ikea-Niveau
Am Bauhaus-Jubiläumsjahr kommt niemand vorbei. Baunetz möchte wissen, wie Architekten, Designer und Kulturschaffende heute über die vor einhundert Jahren gegründete Schule und ihre Auswirkungen denken. Mit dem Kölner Designer Tobias Groß sprachen wir über Marcel Breuer, Erich Brendel und Ikea-Niveau.
Herr Groß, können Sie sich noch erinnern, wie sie zum ersten Mal mit dem Bauhaus in Berührung gekommen sind?
Bereits als Kind, im Möbelhaus meines Vaters, dem »Wohnstudio Extra« in Braunschweig. Wenn wir unseren Vater besucht haben, turnten mein Bruder und ich zwischen Memphis, Postmoderne und Bauhaus-Möbeln herum. Besonders die Stahlrohr-Polster-Möbel LC2 von Le Corbusier sind mir im Kopf geblieben. Hinter ihren kubenhaften, großen Volumen konnte man sich besonders gut verstecken. Auch unsere Wohnung stand ganz im Zeichen der Moderne. In einer Inneneinrichtung aus Möbeln wie den Memphis-Sesseln First von Michele De Lucchi oder dem Regal Carlton von Ettore Sottsass habe ich auf einem großen Schlafsofa aus der Bauhaus-Epoche geschlafen.
Wo ist Bauhaus für Sie heute?
Überall. Und es ist genauso aktuell wie damals. Ich wohne in Köln. Die Diskussion um wertigen, flexiblen und bezahlbaren Wohnraum ist in aller Munde. Politik, Architektur und Design haben noch viel zu tun. Sie müssen sich dafür aber ihrer Verantwortung auch bewusst sein und den gesellschaftlichen und sozialen Aufgaben stellen wollen. Alles auf Ikea-Niveau als Wegwerf- oder Austauschprodukte billig in den Markt zu pumpen, ist keine Lösung für die Zukunft unseres Planeten. Es muss ein generelles Umdenken stattfinden. Genau an dieser Schnittstelle hat sich das Bauhaus engagiert, und den Gedanken des Wortes „Nachhaltigkeit“ – der bei uns erst seit rund zehn Jahren in aller Munde ist – schon vor hundert Jahren umgesetzt.
Gropius, Meyer oder Mies?
Marcel Breuer. Er hat in seinen Arbeiten hohe Ästhetik und große Funktionalität, dazu Leichtigkeit und Flexibilität auf einmalige Weise zusammengeführt – und schuf dabei keine opulenten Möbel. Seine Gesten sind nicht überdimensioniert, er bleibt zurückhaltend, klar, reduziert. Das spricht mich unglaublich an. Daneben bin ich ein großer Fan der etwas unbekannteren Gestalter Erich Brendel und Peter Keler. Für den Möbelhersteller Tecta betreue ich mit meinem Studio für Gestaltung die Kommunikation. Dieses Jahr durfte ich den klappbaren Bauhaus-Teetisch M10 von Erich Brendel überarbeiten und setzte mich dafür intensiv mit dem Gestalter, dem Möbel und dem Bauhaus auseinander. Faszinierend, wie die Dinge bis ins letzte Detail durchdacht worden sind – perfekt konstruiert, zeitlos schön und immer noch hochmodern.
Die Fragen stellte Uta Winterhager.
Tobias Groß hat seine berufliche Laufbahn als Kommunikationsdesigner begonnen, mit seinem Studio für Gestaltung arbeitet er aber zunehmend auch interdisziplinär. Er entwickelte unter anderem das Orientierungssystem für den Rheinauhafen in Köln und gestaltete den Architekturführer Köln.