20.05.2019

Bauhaus-Greige in Weimar

Neueröffnung des Haus am Horn

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Weimar feiert die Wiedereröffnung des Haus am Horn.

Seit Samstag, 18. Mai 2019 ist das Haus am Horn in Weimar nach der Restaurierung wieder für die Öffentlichkeit zugänglich, als zweiter Höhepunkt der Stadt zum Bauhausjubiläum neben dem vieldiskutierten Bauhaus Museum von Heike Hanada. Dieses wichtige Zeugnis des modernen Bauens ist für eine echte Überraschung gut: Die modische Trendfarbe Greige, eine Mischung aus Grau und Beige, ist anscheinend keine postironische Erscheinung des 21. Jahrhunderts, sondern eine Erfindung der Bauhausmeister Muche und Gropius. Oder?

Von Alexander Stumm

Das als Musterhaus für funktionales und modernes Wohnen errichtete Haus am Horn wird als das erste Gebäude im „Bauhaus-Stil“ gefeiert. Zugleich ist es das einzige Projekt, welches das Staatliche Bauhaus in Weimar vor dem Umzug nach Dessau realisiert hat. Der Entwurf stammt von Bauhausmeister Georg Muche, der eigentlich Maler war. Die Bauleitung hatten Adolf Meyer und Walter March aus dem Baubüro Walter Gropius inne. Auf quadratischem Grundriss mit 144 Quadratmetern gruppieren sich Schlafzimmer, Bad, Kinderzimmer und Küche um einen erhöhten Aufenthaltsraum im Zentrum, der durch Oberlichter zusätzlich beleuchtet wird. Durch diese Aufteilung konnte auf Flure vollständig verzichtet werden, um die Fläche besonders effizient zu nutzen. Ein Gemüsegarten diente der Selbstversorgung.

Das mitten in der Hyperinflation errichtete Gebäude blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Der Berliner Bauunternehmer Adolf Sommerfeld, der das Haus finanzierte, verkaufte die darin ausgestellten Möbelstücke, um seinen Verlust aufzufangen. 1938 übernahm die deutsche Arbeitsfront das Haus. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es in Volkseigentum über und diente zuerst als Unterkunft für drei geflüchtete Familien. Im Jahr 1971 bezog es der Architekt Bernd Grönwald, der maßgeblich für die Rehabilitierung des Bauhauserbes in der ehemaligen DDR verantwortlich zeichnet – eine Episode, der sich auch das Radio-Feature „Der Mann mit dem Schlüssel“ widmet. Seit 1996 gehört das Haus am Horn zum UNESCO-Welterbe „Bauhaus und seine Stätten in Weimar, Dessau und Bernau“. In diesem Zuge folgten Umbaumaßnahmen, Anbauten der späteren Epochen wurden zugunsten des „Urzustandes“ zurückgebaut.

Diese Situation bildete den Ausgangspunkt der neuerlichen Renovierung, deren Ergebnis seit dem Wochenende zu besichtigen ist. Leitidee war auch hier, den Zustand von 1923 wieder erfahrbar zu machen. Wie zur Entschuldigung schiebt Anke Blümm von der Klassik Stiftung Weimar jedoch vorweg, dass die Arbeiten ein „work-in-progress“ seien, die noch bis zum hundertjährigen Bestehen des Versuchshauses im Jahr 2023 andauern sollen.

Überraschend ist die äußere Erscheinung: Die Fassaden leuchten nicht im „klassischen“, legendären Bauhaus-Weiß, sondern in einer Mischung aus Grau und Beige. War dies tatsächlich der Originalzustand? Schnell stellt sich heraus, dass es sich hier keineswegs um eine bisher unbekannte Idee der Bauhausmeister handelt, sondern um einen Fehlgriff des ausführenden Unternehmens. Lediglich eine schmale Stelle des früheren Anstrichs blieb unberührt, um die vormalige Erscheinung für die Besucher*in nachvollziehbar zu machen. Für die Außensanierung zeichnet Kummer.Lubk.Partner (Erfurt) verantwortlich. Unverständlich scheint auch manche Entscheidung im Innenraum. Die Andeutung der Volumina der nicht erhaltenen Möbelstücke durch weißlackierte Rahmen als Teil der Ausstellungsarchitektur von Kalhöfer & Hoffmann (Köln) mag man als gelungen empfinden oder nicht. Dass aber die Armaturen im Badezimmer teilweise originalgetreu rekonstruiert sind, teilweise aus der Zeit der letzten Umbaumaßnahmen aus den Neunzigerjahren stammen, ist ein geradezu schmerzhafter Stilbruch.

Dass die Innenraumgestaltung des Haus am Horn zur Zeit der Erbauung avantgardistisch war und viele spätere Entwicklungen vorzeichnete, zeigt die innenarchitektonische Restaurierung sowie die kleine Ausstellung aber doch in vielerlei Hinsicht. So griff man auf die Rekonstruktion einiger spektakulärer Möbelstücke zurück, darunter den Toilettentisch der Dame, das Gesellenstück von Marcel Breuer. Auch die Aufteilung der Küche zeigt den fordistischen Gedanken der effizienten Nutzung schon exemplarisch auf: Aufbewahrungsschränke, Arbeitsfläche mit natürlicher Belichtung durch das große Fenster (mit Blick zum Gemüsebeet) und der Herd sind auf kleinem Raum in logischer Folge angeordnet – und das drei Jahre vor der Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky.