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07.03.2019
Bernd Grönwald und das Haus am Horn
Marietta Schwarz über ihr Radiofeature
Am Bauhaus-Jubiläumsjahr kommt niemand vorbei. BauNetz möchte wissen, wie Architekten, Designer und Kulturschaffende heute über die vor einhundert Jahren gegründete Schule und ihre Auswirkungen denken. Im Deutschlandfunk läuft am 8. März 2019 im Rahmen einer Bauhaus-Reihe das Feature „Der Mann mit dem Schlüssel“ – mit Autorin Marietta Schwarz sprachen wir über ihre Recherchen zum Musterhaus Am Horn und die DDR-Bauhaus-Rezeption.
Frau Schwarz, das Haus Am Horn in Weimar ließ Walter Gropius 1923 nach einem Entwurf von Georg Muche als erste Architektur im Sinne des Bauhauses überhaupt errichten. Im Mai wird es nach einer umfangreichen Sanierung wiedereröffnen. Ihr Feature befasst sich mit dessen Bewohner Bernd Grönwald und seiner Familie. Was macht den Mann interessant?
Marietta Schwarz: Bernd Grönwald hat sein Leben von der Wiege bis zur Bahre in den Dienst des Sozialismus gestellt. Ein Blick auf seinen Wikipedia-Eintrag genügt, um zu erahnen, wie seine Karriere verlaufen ist. Dennoch passt er nicht in das Klischee des sturen Parteisoldaten. Als er 1971 mit seiner Familie in das Haus Am Horn zog, war er frisch promovierter Architekt, aber auch SED-Parteifunktionär und damals als Parteisekretär an der Hochschule in Weimar angestellt. 1971 stellte das Bauhaus in der DDR noch ein Tabu dar. Es gab vereinzelt Forschungen, aber es war offiziell geächtet. Dass Bernd Grönwald als in Weimar lebender Architekt das Haus Am Horn zu diesem Zeitpunkt gar nicht kannte, spricht Bände. Er beginnt aber dann mit seinem Einzug, sich mit dem Bauhaus zu beschäftigen. Und er ist auch in einer so machtvollen Position, die Bauhaus-Rezeption in der DDR zu verändern. Sein Veränderungswille geht später über das Bauhauserbe hinaus. Er muss ein charismatischer Typ gewesen sein, der viel bewegen wollte, in den man aber auch noch mehr hineinprojizieren konnte – eine Art Heldenfigur, deren Leben kurz nach dem Mauerfall in diesem Musterhaus Am Horn mit einem Suizid endet. Von Anfang an habe ich mich gefragt: Was war das für ein Typ? Was trieb diesen Mann an? Und warum machte er sich für etwas stark, das „sein“ System verachtete? Wie konnte er unbeschadet gegen den Strom schwimmen? Warum dieses Ende?
Sie haben das gerade schon angedeutet, dass es das Bauhauserbe jahrzehntelang schwer hatte in der DDR – das Bauhausgebäude in Dessau wurde ja auch erst 1976 denkmalgerecht saniert. Welche Rolle spielt das Haus Am Horn über die Jahrzehnte hinweg?
Die Sanierung in Dessau geht übrigens auch auf Bernd Grönwald zurück. Und das hat tatsächlich auch etwas mit dem Haus Am Horn zu tun. Marlis Grönwald, die 77-jährige Witwe, hat mir erzählt, in welchem Zustand das Musterhaus Anfang der 1970er Jahre war: Es stand da oben, auf der anderen Seite der Stadt über dem Park an der Ilm, teilweise beschädigt und verfallen. Nun muss man sagen: Es ist ja auch nicht gerade ein architektonisches Prunkstück. Es gab aber schon auch vereinzelte Interessierte, die dorthin pilgerten. Ein Teil wurde bewohnt. Den anderen Teil bezogen dann die Grönwalds. Ziemlich schnell beschlossen sie, dass dieses Haus als allererstes Zeugnis des Bauhauses überhaupt öffentlich zugänglich sein soll. Wobei „öffentlich“ heißt: Sie haben den Schlüssel in der Hand. Sie richteten im hohen Mittelraum eine Ausstellung ein und wohnten, mit ihrer Mitbewohnerin, um diesen Raum herum. Es kamen immer mehr Besucher, und Mitte der 70er reist Georg Muche vom Bodensee an. Das öffentliche Interesse veranlasst das Zentralkomitee der SED schließlich zum Handeln. Das Bauhaus wird per Parteiauftrag enttabuisiert. Auftragnehmer: Bernd Grönwald.
Bernd Grönwald starb 48-jährig kurz nach dem Mauerfall. Was hätten Sie ihn heute gern persönlich gefragt?
Spontan würde ich sagen: Nichts die Architektur betreffend. Ich hätte ihn gerne zum Innenleben des SED-Parteiapparats befragt, und wie er seine Rolle im System sah. Ich bin mir aber nicht sicher, ob er mir eine ehrliche Antwort gegeben hätte ...
Die Geschichte eines Mannes und eines Hauses als 50-minütiges Radiofeature zu verarbeiten, klingt nach einer großen Herausforderung. Was hat Sie bei der Arbeit am meisten überrascht?
Ehrlich gesagt hatte ich noch nie so viel Material am Ende der Recherche. Der Nachlass von Bernd Grönwald ist noch in Kisten verpackt. Vielleicht wird man, wenn der irgendwann aufgearbeitet ist, einen ganz anderen Grönwald kennenlernen. Mein Bernd Grönwald ist derjenige, der sich aus vielen Mosaiksteinchen in Gesprächen mit Zeitzeugen zusammengesetzt hat und dem, was ich mir aus diesen Gesprächen herausgepickt habe. Bei allem Bemühen um journalistische Gründlichkeit ist es eine Interpretation der Interpretation der Interpretation. Aber genau an diesem Punkt sind wir ja momentan auch, was die Aufarbeitung der DDR betrifft: Es gibt viele Lesarten. Und viele, über die wir nicht reden. Was mich wirklich überrascht hat: wie emotional die Auseinandersetzung mit dem Vergangenen verläuft, selbst wenn es nur um einen einzigen Menschen, einen ziemlich unbekannten Architekturwissenschaftler wie Bernd Grönwald geht. Insofern ist „Der Mann mit dem Schlüssel“ auch eine Sendung über die Rezeption des Lebens in der DDR.
Unsere Standardfrage: Gropius, Meyer oder Mies?
Ohh! Sympathisch sind sie mir alle nicht besonders. Aber wenn’s um die Architektur geht, bin ich bei Mies.
Die Fragen stellte Friederike Meyer.
Termin: Radio-Feature „Der Mann mit dem Schlüssel“: 8. März 2019, 20:05 Uhr
Ort: Deutschlandfunk