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05.04.2019
Bauhaus in der DDR
Florentine Nadolni über die Ausstellung in Eisenhüttenstadt
Am Sonntag, 7. April 2019 eröffnet die Ausstellung „Alltag formen! Bauhaus-Moderne in der DDR“ im Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR in Eisenhüttenstadt. Sie stellt Objekte und Gestalter*innen vor, die für die Weiterentwicklung der Gestaltungsprinzipien des Bauhauses in der DDR stehen. Florentine Nadolni ist die Leiterin des Dokumentationszentrums Alltagskultur der DDR und des Kunstarchivs Beeskow sowie Co-Kuratorin der Ausstellung.
Frau Nadolni, Funktionalität, Rationalität und Serienproduktion sind Schlagworte, die man auf den ersten Blick sowohl mit dem Bauhaus als auch mit der gestalterischen Praxis in der DDR in Verbindung bringt. Tatsächlich war das Bauhaus aber bis Mitte der 1970er-Jahre in der DDR tabuisiert. Wie zeichnen Sie das Verhältnis von Bauhaus und DDR in ihrer Ausstellung nach?
Die Ausstellung zeichnet das Verhältnis von Bauhaus und DDR auf drei Ebenen nach. Auf der Ebene der Gestaltung, auf der kulturpolitischen und auf einer biografischen Ebene. So beleuchtet die Ausstellung unter anderem die Möbelgestaltung der bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts für innovative Produkte stehenden Deutschen Werkstätten Hellerau. Auch die Entwicklung der Gefäßgestaltung wird in den Blick genommen. Sie offenbart historische Kontinuitäten, aus der Not geborene Improvisation, aber auch große Innovationskraft, etwa bei der Erschließung moderner Werkstoffe für den Konsumbereich. Darüber hinaus zeigt sich in Designansätzen wie dem „offenen Prinzip“ – das Karl Clauss Dietel und Lutz Rudolph etwa am Beispiel des Mokick Simson S50 demonstrierten – eine im Sinne der Varianz und Nutzerorientierung weiterentwickelte „lebendige Funktionalität“. In einem kleineren Rahmen beleuchten wir auch Entwicklungen in Architektur und Städtebau.
In der Tat war der kulturpolitische Umgang der DDR mit dem Bauhaus-Erbe widersprüchlich und wechselvoll. Auf frühe Ansätze zur Wiederbelebung moderner Formgestaltung in der Sowjetischen Besatzungszone und frühen DDR folgten Kampagnen gegen den sogenannten „Formalismus“ und eine geforderte Rückbesinnung auf vermeintlich nationale Bau- und Gestaltungstraditionen. Die Formalismusdebatte ist auch Ausdruck und Ergebnis des Kalten Krieges, der sich eben ausdrücklich auch auf dem Gebiet der Architektur und Formgestaltung vollzog, und in dessen Kontext Fragen der Versorgung und Produktkultur unmittelbar ins Spannungsfeld der Systemkonkurrenz führten. Erst die Weichenstellung für den industriellen Wohnungsbau führte zu einer vorsichtigen Rehabilitierung der Moderne. Verbunden mit der öffentlichkeitswirksamen Wiedereröffnung des sanierten Bauhauses in Dessau im Jahr 1976 wurde die vormalige Hochschule für Gestaltung schließlich zum Bestandteil des offiziellen Kulturerbes der DDR.
Wie sieht es mit biografischen Kontinuitäten aus? Welche Bauhäusler waren in der DDR einflussreich? Und auf welche Art und Weise spielten deren Ausbildung am Bauhaus in der gestalterischen Praxis der DDR eine Rolle?
Im Schatten der wechselvollen Rezeptionsgeschichte inspirierten vor allem in den Jahren der Sowjetischen Besatzungszone und der frühen DDR ehemalige Bauhäusler*innen wie Mart Stam und Walter Funkat, Marianne Brandt, Franz Ehrlich und Selman Selmanagic durch ihre Gestaltungspraxis und Lehre an den Hochschulen in Berlin, Halle oder Dresden eine nachfolgende Generation von Gestalter*innen. Das Werk dieser dann um 1960 in die Praxis wechselnden Absolventenjahrgänge wurde prägend für die Produktkultur des Landes. Vor allem in den Zeiten der Formalismusdebatte überlieferten ehemalige Bauhäusler*innen – wenn auch nicht explizit unter dem Begriff Bauhaus – moderne Gestaltungansätze und strukturprägende Ausbildungsprinzipien wie das fächerübergreifende Grundlagenstudium. In der Ausstellung wird diesen personellen Kontinuitäten und Netzwerken anhand von 50 Biografien und zentralen Wirkungsorten nachgegangen.
Was war Ihre wichtigste Erkenntnis bei den Vorbereitungen für die Ausstellung?
Mit Blick auf die Umsetzung der Ausstellung hat mich vor allem die Kooperation mit der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, Fachgebiet Visuelle Kommunikation, beeindruckt. Zu sehen, wie aufgeschlossen sich ein junges, internationales Team von nach 1990 geborenen Studierenden dem Ausstellungsthema Bauhaus-Rezeption und Design in der DDR sowie Eisenhüttenstadt näherte und seine Eindrücke in die Gestaltung der Ausstellung und des Katalogs übersetzte, war eine äußerst gewinnbringende Erfahrung. Spannend ist auch, wie aktuell und relevant Designansätze wie das „offene Prinzip“ und ein „lebendiger Funktionalismus“ sind.
Gropius, Meyer oder Mies?
Im Kontext unserer Ausstellung und aufgrund des sozialen Anspruchs: Hannes Meyer – „Volksbedarf statt Luxusbedarf“.
Die Fragen stellte Gregor Harbusch.
Eröffnung: Sonntag, 7. April 2019, 14 Uhr
Ausstellung: 7. April 2019 bis 5. Januar 2020
Ort: Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR, Erich-Weinert-Allee 3, 15890 Eisenhüttenstadt
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Weimarer Verlag mbooks.