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17.01.2019
Die Art, die Welt zu sehen
Bjarke Ingels über Farbe, Form und Mies
Am Bauhaus-Jubiläumsjahr kommt niemand vorbei. Baunetz möchte wissen, wie Architekten, Designer und Kulturschaffende heute über die vor einhundert Jahren gegründete Schule und ihre Auswirkungen denken. Mit dem Architekten Bjarke Ingels, Gründer von BIG, sprachen wir über Farbe, Form und Mies.
Herr Ingels, manche halten die Ideen von damals für überholt, andere für aktueller denn je. Wo sehen Sie das Bauhaus heute?
Bjarke Ingels: Vor fünf Jahren hatte BIG eine Ausstellung in Vancouver, sie hieß „Gesamtkunstwerk“. Es war der Versuch, den Kanadiern die Bedeutung von „Gesamtkunstwerk“ näherzubringen und nicht, wie man es ausspricht. (lacht) Wir wollten eine Idee vermitteln, nämlich dass Kunst eine riesige Bandbreite hat. Richard Wagner beispielsweise hat den Begriff genutzt, um Opern zu beschreiben, weil die Oper für ihn der Ort war, an dem verschiedene Formen der Kunst zusammenkamen: Musik, Sprache, Kostüm. Und das Bauhaus betrachtete Architektur als Gesamtkunstwerk. Mir gefällt diese Idee, alle Sinne anzusprechen, die Idee Technologie mit Kunst und Handwerk zu verbinden – all das zu nutzen, um die Welt zu produzieren, in der wir leben.
Immer wieder wird über das bauliche Erbe des Bauhaus diskutiert. Welche Bedeutung hat Bauhaus-Architektur heute?
Gute Architektur entwickelt sich immer weiter. Sie ist heute nicht gelabelt mit „Bauhaus“ oder wird mit einem bestimmten Stil assoziiert. Bauhaus ist mehr als die Architekturstile, die wir heute damit assoziieren. Es ist vielmehr die Art, wie man auf Dinge schaut, zum Beispiel darauf, wie unsere physische Umwelt produziert wird.
Welche Beziehung haben Sie persönlich zum Bauhaus?
Ich erinnere mich noch genau an die Zeit, als ich an der Kunstuni war. Wir haben Filme gesehen, die vom Bauhaus kamen, Filme wie „Raumtanz“ – lauter schräge Performances, bei denen diese seltsamen, sehr geometrischen und bunten Kostüme getragen wurden. Leider konnte man die Farben nicht erkennen, weil es Schwarz-Weiß-Filme waren. Was mich bis heute daran erinnert, sind die Puppen von Alexander Girard. Seine Entwürfe ähneln den Bauhaus-Kostümen, übertragen in modernes Design. Ich habe Freunde, die bei Vitra arbeiten und jedes Mal, wenn wir uns sehen, bringen Sie mir eine der Puppen mit.
Wie passen Oskar Schlemmers Triadisches Ballett und Architektur zusammen?
Architektur kann schnell die Farbe vergessen. Es gibt Regeln, die dazu führen, dass außen an Gebäuden nur selten Farbe eingesetzt wird, weil sie nicht gut verwittert. Deshalb versuche ich in meinen Entwürfen so oft wie möglich „echtes“ Material zu verwenden, das eine Patina entwickeln kann. Wenn man sich das VM House, The Mountain oder The 8-House anschaut: Da gibt es eine Fülle von Farben – im Inneren. Man muss sich ab und zu daran erinnern, dass Farbe Teil der architektonischen Möglichkeiten ist. Manchmal scheint es riskant damit zu arbeiten, aber es lohnt sich.
Gropius, Meyer oder Mies?
Ich fände es spannend, Mies van der Rohe zu treffen. Sein Barcelona-Pavillon ist radikal und wunderschön – und einmalig, dafür, dass er in den frühen 1930er Jahren gebaut wurde. Genauso wie das Haus Tugendhat. Das habe ich mir angeschaut, als die Renovierung gerade abgeschlossen war. All die Innovationen, mit der dieses Haus vollgepackt ist, sind beeindruckend: Das Gebäude geht weg vom damals typischen Haus, die klassische Fassade verschwindet, ebenso wie die typische Kombination der Räume. Stattdessen gibt es eine abstrakte Komposition mit einem Halbrund aus Holz, die das Esszimmer sein soll. Mies van der Rohe hat keine einzige herkömmliche Lösung angewandt, er hat einfach sein eigenes Ding gemacht.
Die Fragen stellte Katrin Groth.