11.01.2019

Bauhaus tanzt

Bettina Wagner-Bergelt zum Eröffungsfestival in Berlin

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Das Triadische Ballett, Schlemmer/Bohner/Hespos, Bayerisches Junior Ballett München

Die Tanzmanagerin Bettina Wagner-Bergelt kommt vom Bayerischen Staatsballett in München, ihr nächster Stopp wird Pina Bauschs Tanztheater Wuppertal sein. Das von ihr kuratierte Festival eröffnet offiziell das deutsche Bauhaus Jubiläumsjahr und bespielt ab Mittwoch, 16. Januar eine Woche lang die Berliner Akademie der Künste.

Frau Wagner-Bergelt, mit Bauhaus verbindet man heute gemeinhin Architektur und Gestaltung. Warum gibt es beim Eröffnungsfestival Tanz, Musik und Performance?

Bettina Wagner-Bergelt: Die Veranstalter wollten einen Auftakt, auf dem Menschen miteinander ins Gespräch kommen, und – ganz im Sinne des Bauhauses – auch künstlerisch interagieren. Und das lässt sich mit einem performativen Festival eher realisieren als mit einer Ausstellung. Zudem ist sicherlich auch eine Auseinandersetzung mit der Bauhausbühne intendiert gewesen, die bislang eher wenig rezipiert wurde, obwohl sie eine ganz zentrale Funktion hatte.

Gemeinsam mit Kollegen am Münchner Staatsballett haben Sie sich bereits vor einiger Zeit mit der Neuinterpretation des Triadischen Balletts beschäftigt, mit dem Oskar Schlemmer
im Jahr 1912 neue, moderne Formen des Balletts untersuchte. Was bedeutet eine Wiederaufführung mehr als 100 Jahre später?
Schlemmer hat den Tanzbegriff mit diesem Konzept enorm erweitert, weit über die Grenzen des Repräsentativen – woran das Ballett ja bis heute leidet und vielerorts zum Spektakel verkommt. Er hat mit Bewegung im Raum experimentiert und den Begriff „Choreographie“ noch einmal auf seine grundlegenden konstitutiven Elemente und deren Beziehung zueinander untersucht. Für den modernen Tanz am Anfang des 20. Jahrhunderts war dies ein wesentlicher Durchbruch: die ästhetische Gegenrichtung zum Ausdruckstanz, der die Emotion in den Mittelpunkt stellte. Choreographen wie Richard Siegal oder Trajal Harrell, die am Festival teilnehmen, profitieren heute davon. Und die fantastischen, skulpturalen Kostüme sorgen noch heute für Begeisterung.

Was Musik angeht, ließe sich die Schule Bauhaus vielleicht zwischen Jazz und der Begeisterung für Zwölftonmusik verorten. Wie stellt sich das Bauhaus 100-Festival musikalisch auf?
In der Tat war Musik ein ganz wichtiger und in der Rezeption wenig beachteter Referenzpunkt für die Künstler am Bauhaus. Viele der dortigen bildenden Künstler, Maler und Bildhauer waren gleichzeitig auch sehr gute Musiker. Sie beschäftigten sich mit Bachs Kunst der Fuge, mit Zwölfton und mit experimentellem Jazz. Musikalische Strukturen flossen in ihre Werke ein, bei Klee, bei Kandinsky, bei Moholy-Nagy. Wir machen dazu ganz unterschiedliche Angebote: Im Signalraum kann man in musikalisch-performative Kunstaktionen eintauchen. Die beteiligten Musikerinnen und Komponistinnen speisen ihre Impulse aus dem Material, aus der Bewegung, aus technischen Quellen, aus dem Weltraum oder aus Texten der Zuschauer. Und der Jazzpianist Michael Wollny hat mit seinen Musikerkollegen für das Festival ein Bauhaus-Konzert konzipiert, in dem er gegen und mit einer mechanischen Klaviermaschine spielt.

Einzelne Programmpunkte des Festivals heißen Weltkollektion, Hypertonie Kultur oder das Totale Tanz Theater. Wie passt das Bauhaus mit diesen Superlativen zusammen?

Die Formate zeigen, wohin sich die Ideen der Bauhauskünstler möglicherweise entwickelt hätten, wenn der Faschismus ihnen nicht den Garaus gemacht hätte. Bauhaus war immer am Puls der Zeit, ja, der Zeit voraus. Es war international, experimentell, neugierig, offen, radikal, prozessorientiert, kommunikativ und partizipativ angelegt. Der Fokus lag nicht auf Perfektion, sondern auf den richtigen, wichtigen Fragestellungen. Die Titel sind Schlagworte, umgesetzt heißen sie: Wo sind Künstler, die heute mit dieser Haltung an ihre Kunst und an die Welt um sie herum herantreten?

Inwiefern ist das Eröffnungsfestival für Architekten interessant?
Weil Architektur sich immer daran ausrichten sollte, wie Menschen miteinander leben wollen. Das Festival wird hoffentlich spiegeln, was für unser Leben essenziell ist, denn diese Frage treibt ja die Künstler wie das Publikum um.

Die Bauhaus Feste sollten nach Gropius’ Manifest der Gemeinschaftsbildung dienen und nach Schlemmer kreative Gestaltungskräfte freisetzen, waren aber vor allem als Parties legendär. Findet sich auch das ausgelassene Feiern im Programm?
Ich hoffe sehr, dass die ganze Woche Festcharakter haben wird. Dass das Feine, Kleine und die großen Events uns alle in Feierstimmung bringen und zugleich nachdenklich machen und inspirieren.

Die Fragen stellte Kathrin Schömer.

100 Jahre Bauhaus – das Eröffnungsfestival
Termin:
Mittwoch, 16. bis Donnerstag, 24. Januar 2019
Ort:
Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin