Mit einem Votum für den Bau der sogenannten „Spirale“, einem Erweiterungsbau von Daniel Libeskind für das berühmte Victoria and Albert Museum in London, hat der zuständige Bezirksrat von Kensington und Chelsea am 17. November 1998 die architekturinteressierte Weltöffentlichkeit überrascht. Die Mitglieder der Baukommission des Bezirks hatten wenige Tage zuvor die Ablehnung des Projekts empfohlen, aber die Versammlung folgte dem Rat dieses Gremiums nicht und verhalf dem umstrittenen Projekt damit zu einem wichtigen Schritt in Richtung Realisierung.
Die größte Hürde bildet allerdings nach wie vor die offene Frage der Finanzierung des 75 Millionen Pfund (ca. 213 Millionen Mark) teuren Baus. Die noch immer zahlreichen Gegner des Projekts, die sich eine deutlich konservativere Architektursprache für die Erweiterung des altehrwürdigen Museums erhofft hatten, setzen nach dieser architektonischen „Niederlage“ sicherlich ihre ganze Hoffnung auf das finanzielle Scheitern des Vorhabens.
Die Befürworter allerdings feiern die Entscheidung als wichtigen Schritt ins 21. Jahrhundert und als mutiges Bekenntnis zur zeitgenössischen Architektur, von denen es in den letzten Jahren viel zu wenige in Großbritannien gegeben habe.
Sollte Libeskinds Bau tatsächlich wie geplant bis zum Jahr 2004 realisiert werden, würde sich die letzte Baulücke im Gebäudeensemble des größten kunsthandwerklichen Museums der Welt mit einem aufregenden, kristallinen Körper füllen.
Die „Spirale“ würde einen neuen Haupteingang zum Museum formulieren, Platz für ein Auditorium sowie ein Café bieten und aufgrund seiner Konstruktion ein spektakuläres „Raumkontinuum“ aus selbsttragenden Ausstellungsebenen in sich aufnehmen. Rund um einen inneren Aufzugskern soll sich sich eine Spirale von Wandscheiben entfalten - Stahlrahmen, die mit elfenbeinfarbenen Fliesen und Glas verkleidet sind. Im Innern werden entlang der Wandflächen mehrere, durch Rampen verbundene Ebenen aufsteigen, von denen drei als stützenfreie Ausstellungs-Etagen genutzt werden können. Die Transparenz der Außenhaut soll von unten nach oben zunehmen.
Daniel Libeskind hatte in Zusammenarbeit mit Arup London 1996 einen Wettbewerb für die Museums-Erweiterung gewonnen. Aus 70 Bewerbern wurden zunächst acht Teilnehmer ausgewählt; Libeskind setzte sich schließlich gegen so prominente Konkurrenten wie Norman Foster, Nicholas Grimshaw oder Zaha Hadid durch.
Die Zukunft der „Spirale", die von ihren Anhängern als Geniestreich, von ihren Gegnern als „Anhäufung zerknüllter Kisten“ und Angriff auf die ruhige viktorianische Würde Kensingtons bezeichnet wird, hängt nun tatsächlich von der Lösung des Finanzierungsproblems ab. Das Museum sucht schon lange nach privaten Sponsoren und muß auch dringend solche finden, da die britische Regierung dem Projekt die Unterstützung durch Gelder aus den staatlichen Lotterie-Fonds bisher versagt hat.
Das Victoria and Albert Museum informiert auf seiner website in kleinem Umfang über das Projekt.