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08.05.2000
Produktiver Störfaktor
Öffentliche Stellungnahme der Stiftung "Topographie des Terrors"
Auf den Tag genau fünf Jahre nach dem offiziellen Baubeginn für die Gedenkstätte "Topographie des Terrors" veröffentlichte der Stiftungsrat der Topographie am 8. Mai 2000 in Berlin eine Stellungnahme zu dem seit März dieses Jahres mit einem Baustopp belegten Projekt. Der Schweizer Architekt Peter Zumthor hatte bereits 1993 einen Wettbewerb für sich entschieden, 1995 war der Grundstein gelegt worden und 1998 sollte das architektonisch anspruchsvolle Bauvorhaben eigentlich fertig gestellt sein. Doch diverse Baustopps unterbrachen die Arbeiten immer wieder. An eine Einweihung sei noch lange nicht zu denken, erklärte der Arbeitsausschuss der Stiftung nun gegenüber der Presse, vielmehr sei das gesamte Projekt vom Scheitern bedroht. Die derzeitige Baukrise sei nicht allein auf die gestiegenen Baukosten zurück zu führen, sondern die Krise sei vor allem ein Ausdruck des mangelnden Willens der politisch Verantwortlichen, sich mit den von Anfang an unübersehbaren Problemen des Projektes auseinander zu setzen und eine Lösung zu finden.
Die finanzielle Situation der Topographie ist auch deshalb ungewiss, weil die Bundesregierung sie, im Gegensatz zum Jüdischen Museum, nicht zu den staatlich geförderten Hauptstadtprojekten rechnet. Die Stadt Berlin möchte ihrerseits die NS-Gedenkstätten in der Hauptstadt in die Verantwortung des Bundes übergeben.
Die Topographie, die sich als Gedenkstätte mit den Tätern, den Voraussetzungen ihrer Taten und schließlich dem Umgang der deutschen Gesellschaft mit den NS-Verbrechen auseinandersetze, bilde ein "Kernstück in der Erinnerungslandschaft" erklärte die Stiftung, das nicht heraus gebrochen werden könne, ohne das Ganze zu verfälschen. Doch gerade dieser kritische Blick auf die Wirkzusammenhänge und Strukturen sei auch heute von vielen nicht gewollt, da er die gesellschaftliche Harmonie in Frage stelle. Die Stiftung hege daher den Verdacht, dass mit dem Verweis auf die Konstruktionsprobleme und die daraus resultierenden, angeblich unzumutbaren Kostensteigerungen ein Gedenkstättenkonzept zu Fall gebracht werden solle, das gewissermaßen als "produktiver Störfaktor unbequeme Fragen aufwerfe und zum Nachdenken provoziere".
Die Stiftung wende sich jetzt auch an die Öffentlichkeit, weil die Zeit dränge: Wenn bis zum Juli dieses Jahres keine konsensfähige und realistische Kostenkalkulation als Grundlage für einen Haushaltsbeschluss über die erforderlichen Mittel vorliege, drohe das Projekt endgültig zu scheitern. Die Stiftung fordere nun die volle Unterstützung des Bundes und des Berliner Senats und darüber hinaus eine "kompetente Vertretung der Stiftungsbelange durch ein qualifiziertes Baumanagement", dem die Nutzer vertrauen könnten. Die Kostensteigerung dürfe auf keinen Fall durch Abstriche beim Nutzungsprogramm wett gemacht werden, erklärte die Stiftung. Die Erklärung der Stiftung sei ein Appell an die Öffentlichkeit, den schleichenden Baustopp nicht hin zu nehmen und das Projekt zu unterstützen.
In einem Interview mit dem Berliner Stadtmagazin Tip (Ausgabe 9/2000) sagte der wissenschaftliche Direktor der Stiftung, Reinhard Rürup, wenn der Zumthor-Entwurf nicht realisiert werde, würde das eine Aufgabe des Projektes "Topographie" bedeuten. Es käme einer "Bankrotterklärung gleich, wenn man da wieder eine kleine Hütte hinstellen würde".
Auch der Architekt Peter Zumthor äußerte sich am 8. Mai 2000 zu der Entwicklung der Topographie. In der Tageszeitung "Die Welt" erklärte er, die Diskussion um das Gebäude und um den Ort der Täter und Opfer habe in der Öffentlichkeit nun endlich eine Breite erreicht, die der historischen Bedeutung des Ortes angemessen sei. Aufgrund der Vorgeschichte des Projektes sei es zwar verständlich, dass diese Diskussion bisher vor dem Hintergrund von Entrüstung und Erstaunen über die wirkliche Größenordnung der Aufgabe stattgefunden habe, doch die kommende Auseinandersetzung müsse nun endlich von Inhalten handeln.
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Foto: Stiftung Topographie des Terrors, Hans D. Beyer
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