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06.07.2005
Neue Geschäftspotenziale
Vergleichende Studie über Märkte für Architekten veröffentlicht
Nur noch 9 Prozent der deutschen Architekten und Ingenieure sehen sich ausschließlich als klassische Entwerfer, 35 Prozent dagegen fühlen sich bereits als reine Unternehmer für Architektur und Planung. Die restlichen machten keine Angabe oder sahen sich genau zwischen den beiden Polen. Im europäischen Vergleich fühlen sich (noch) signifikant mehr Architekten als klassische Entwerfer, nämlich 23 Prozent, wogegen sich europaweit nur 20 Prozent als reine Unternehmer sehen.
Diese Zahlen stammen aus einer Studie unter dem Titel „Neue Geschäftspotenziale für Architekten und Ingenieure“, die Maisberger Whiteoaks im Auftrag der Nemetschek AG erarbeitet hat. Sie wurde am 5. Juli 2005 in München erstmals der Presse vorgestellt. Rund 800 Architekten und Ingenieure in Europa, darunter 150 in Deutschland, waren für diese „repräsentative und randomisierte“ Studie per Zufalls-Telefonumfrage befragt worden.
Das Bild sieht gerade für die deutschen Freiberufler am Bau düster aus: Nur 31 Prozent der Deutschen beurteilen die eigene wirtschaftliche Lage als gut, in Europa sind es dagegen 56 Prozent. 20 Prozent der deutschen Befragten gaben ihre eigene Lage sogar explizit als „schlecht“ an - das ist mit Abstand der (negative) Spitzenwert im europäischen Vergleich. Kleiner Lichtblick: Die Talsohle scheint überwunden. Immerhin 34 Prozent der Deutschen schätzen ihre Perspektiven für die kommenden drei Jahre als „gut“ oder „sehr gut“ ein; allerdings beträgt der Anteil dieser Optimisten in Europa satte 56 Prozent.
Deutsche Büros sind etwas kleiner als das europäische Durchschnittsbüro: Hier beträgt das Verhältnis 5,5 Mitarbeiter pro Büro in Deutschland zu 6,4 Mitarbeiter in Europa. Die Mehrheit der deutschen Büros, nämlich 57 Prozent, besteht aus ein bis drei Mitarbeitern. Für die Zukunft wird sogar erwartet, dass es noch mehr sehr kleine und einige sehr große Büros geben wird - der „Mittelstand“ wird wegbrechen. Ein Viertel aller deutschen Büros erwirtschaftet heute schon einen Jahresumsatz von unter 100.000 Euro, nur 4 Prozent gelingt es, einen Umsatz von mehr als einer Million Euro zu verbuchen.
Um ihre Marktsituation zu stärken, wollen sich deutsche Architekten neuen Geschäftsfeldern zuwenden. Schon heute entfallen 47 Prozent aller Planungsleistungen in Deutschland auf das Bauen im Bestand - in Europa sind es (erst) 41 Prozent. 68 Prozent der Büros setzen für die Zukunft auf dieses Segment. Weiterhin planen die deutschen Büros, sich folgenden Themen zuzuwenden (Mehrfachnennungen waren möglich): Ökologisches und altersgerechtes Bauen (49 Prozent), Beratungsleistungen (45 Prozent), Sachverständigen- und Gutachterwesen (38 Prozent), Projektsteuerung, Projektentwicklung und Generalplanung (jeweils 25 Prozent), Visualisierung (24 Prozent) sowie Facility Management (15 Prozent).
Bei diesen Versuchen der Diversifizierung und Spezialisierung steht zu befürchten, dass neuer Wettbewerbsdruck entsteht: Wenn nahezu die Hälfte aller Büros mit einem „Energiepass“ als Akquiseinstrument wirbt oder sich 40 Prozent der Architekten als Sachverständige für Wertermittlung weiterbilden, ist der Tag sehr nahe, an dem sie sich gegenseitig (wieder) auf den Füßen stehen.
Unter dem Strich kann man aus der Studie die nicht ganz überraschende Erkenntnis ziehen, dass es deutschen Büros schlechter als dem europäischen Durchschnitt geht, sich deutsche Architekten andererseits aber mehr als anderswo für marktgerechtes Verhalten und die Erweiterung ihrer Tätigkeitsfelder entschieden haben: Der reine Künstlerarchitekt ohne unternehmerischen Anspruch spielt kaum noch eine Rolle für das berufliche Leitbild.
Allerdings muss man sich die Zahlen und ihr Zustandekommen genau ansehen: So sind in die Studie neben den Architekten fast zur Hälfte Bauingenieure und Statiker eingegangen. Dass diese sich traditionell (fast) nie als Entwerfer gesehen haben, verfälscht natürlich das Bild.
Auch der höhere Anteil der „reinen Entwerfer“ in Europa relativiert sich, wenn man z.B. Italien ansieht: Dort gibt es viele schöngeistige Architekten, die sich als Künstler sehen, aber kaum jemals etwas bauen: Sie warten vielmehr auf eine Stelle im öffentlichen Dienst. In dieses Bild passt, dass sich von den befragten italienischen Architekten über 90 Prozent geweigert haben, Angaben zum Büroumsatz zu machen (zum Vergleich: In Deutschland waren dies „nur“ 40 Prozent).
Die schöne Studie steht für Interessierte offen. Allerdings verlangt die Nemetschek AG für den 60-seitigen Ausdruck einen Kaufpreis von 199 Euro - etwas viel für Endverbraucher. Dieser - oder der kleine Architekt um die Ecke - dürfte auch nicht die Zielgruppe für den Verkauf der Studie sein. Diese ist vielmehr im Bereich der Software-Branche zu sehen, geht doch die Studie auch detailliert auf die Marktdurchdringung und die Marktchancen für Bausoftware ein. Diesen Aspekt haben wir im Zusammenhang dieser BauNetz-Meldung jedoch bewusst außen vor gelassen.
Benedikt Hotze
Nachtrag:
Maisberger Whiteoaks weist darauf hin, dass die Studie auch kostenlos als PDF-Dokument bezogen werden kann. Voraussetzung dafür ist eine Registrierung bei der Nemetschek-Kampagne „Go Evolution“ (Link siehe unten).
Zum Thema:
www.nemetschek.de
www.maisberger.com
Kostenloser Download der Studie bei www.go-evolution.de
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