Der Künstler Timm Ulrichs hat für die Allianz-Arena in München einen Beitrag mit Namen „Versunkenes Dorf“ beigesteuert.
Die Stadt München hatte in der Gemeinde Fröttmaning die Kirche stehenlassen und diese ihres Dorfes beraubt. Mit dem Bau der Reichsautobahn in den 30er Jahren, dann einer Kläranlage und schließlich einer Mülldeponie in den 50er Jahren war klar: Dieses Dorf soll nicht schöner werden. Die Stadt erwarb alle Höfe und begrub das entvölkerte Dorf unter dem Abfall der Münchener Zivilisation. Einzig die Heilig-Kreuz-Kirche aus dem 12. Jahrhundert wurde durch das Engagement von Bürgern verschont.
Zur Anbindung der neuen Allianzarena von Herzog und de Meuron (siehe BauNetz-Meldung zur Eröffnung) hatte die Stadt einen geladenen Künstlerwettbewerb organisiert, den Ulrichs gewann. Sein Entwurf wurde in Sichtweite von Autobahn und Stadion realisiert und kürzlich eingeweiht. Die Kirche als Symbol für das verschüttete Dorf steht im Mittelpunkt von Ulrichs Entwurf: Eine Replik der Originalkirche wurde in den begrünten Müllberg versenkt, sodass nur ein Teil des Kirchturms sowie das Kirchenschiff sichtbar bleiben. Das Betonduplikat, das unter baulicher Leitung der Architekten Maier Neuberger realisierte wurde, steht nun in einer Entfernung von 150 Metern vom Original und ist von Autobahn und Allianzarena aus gut zu sehen.
Der Künstler setzt der standhaft gebliebenen „Dorfkathedrale“ mit der gespiegelten Dopplung ein Denkmal und schafft ein Mahnmal für die kulturellen Opfer einer zerstörerischen Zivilisation. Eine Zivilisation, die die Geschichte zunächst unter Müll begräbt, um später auf diesen rottenden Fundamenten eine neue Kathedrale des Zeitgeistes zu errichten. In der man nun wieder andere, namentlich Fußballgötter, verehrt und gewinnbringend vermarktet.
Das Motiv des Selbstbildnisses im Spiegel ist ein altes in der Kunst – und so hält die Doppelgänger-Kirche, die bis zu den Knien im begrünt-beschönten Müllberg steht, denen, die Augen haben, einen Spiegel vor. Wieder andere werden die sonderbaren Zwillinge vielleicht nur für eine besondere lustige Aktion des FC Bayern halten – während der Fahrt zum nächsten Heimspiel. Obwohl diese Kunst-am-Bau-Intervention die Stadt München 250.000 Euro gekostet hat.
Till Wöhler