Auch in den einstmals so „modernen“ Niederlanden grassieren längst Retro-Stile und Historismen im Wohnungsbau – insbesondere beim Einfamilien- und Reihenhaus. Wohltuend, dass Kempe Thill (Rotterdam) bei ihrem soeben fertig gestellten Stadthausprojekt in Amsterdam-Osdorp diesen Populismus nicht mitgemacht und eine klare, moderne Formensprache gewählt haben. Etwas selbstironisch umschreiben sie ihre Entwurfsstrategie als „Klassizismus für die Ikea-Generation“.
In Osdorp geht es um die Revitalisierung einer Großsiedlung der sechziger Jahre. Hier sollen die bestehenden Sozialwohnungen um Angebote für die Mittelschichten erweitert werden. In diesem Kontext steht das Projekt mit seinen 23 Reihenhäusern. Die Architekten erläutern: „Das Projekt liegt im Südteil des ‚Masterplanes Zuidwest-Kwadrant‘, der durch das Planungsbüro De Nijl seit Ende der 90er Jahre erstellt und betreut wird. Ziel des Planes ist der Erhalt der typischen, sehr breiten Straßen- und Grünraumprofile bei sorgfältiger Integration von Parkgaragen innerhalb der neuen Gebäudevolumen.
Die neue Häuserzeile nimmt diese besondere räumliche Großzügigkeit des Gebiets als direkten Ausgangspunkt für die Organisation der Wohnanlage und sucht nach einer optimalen Lösung für das Parken. Als Resultat entsteht eine prototypische Lösung, die nahtlos anschließt an den kollektiven Maßstab von Amsterdam-Osdorp, ohne dabei die Individualität der Einzelwohnung zu unterdrücken. Traditionelle Werte der Moderne werden dabei neu interpretiert und ein zeitgemäßes Wohnen stimuliert.“
Das Achsmaß wird auf ein akzeptables Minimum von 4,80m reduziert. Der Grundriss ist tiefer als normal üblich, hierdurch entstehen im Inneren des Hauses viele ‚billige Quadratmeter‘ und eine sehr energieeffiziente Struktur. Die entstehende räumliche Enge innerhalb des Hauses wird kompensiert durch eine vollständige Glasfassade und die Einfügung eines doppelt hohen Wohnraumes.
Die gewünschte Garage wird nicht unterirdisch, sondern ebenerdig organisiert und als kostengünstige Stahlkonstruktion vor das eigentliche Betonskelett des Hauses gestellt. Das entstehende Dach wird als Terrasse genutzt.“
Die Baukosten betrugen 877 Euro (ohne Mehrwertsteuer) pro Quadratmeter; die Häuser haben eine Wohnfläche von 145 Quadratmetern incl. Garage.
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
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Grischa Leifheit | 18.04.2008 16:33 UhrKlassizismus Populismus
Das Projekt ist ganz schön, die Häuser werden gut und gründlich beschrieben, worin aber die Entwurfsstrategie besteht, mithin der Klassizismus steckt, erfährt man dann leider doch nicht. Auch nicht, was daran eigentlich selbstironisch sein soll (?). Und ist es übrigens in den "modernen Niederlanden" nicht vielleicht viel populistischer, eine "klare, moderne Formensprache" zu verwenden? Es sind doch immer die Historiker unter den Entwerfern, die von allen Seiten die Hucke voll kriegen.