Am 2. September 1999 ist im Berliner Stadtbezirk Kreuzberg die neue Hauptverwaltung der GSW (Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft Berlin mbH) eröffnet worden. Das architektonisch spektakulär gestaltete Gebäude (Bausumme: 200 Millionen Mark) stammt von den Berliner Architekten Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton.
Wie Architekt Sauerbruch am Rande der Eröffnungsfeierlichkeiten betonte, waren zwei Aspekte maßgeblich prägend für den architektonischen Entwurf: Städtebau und Ökologie.
Zum Städtebau: Der Komplex an der Kochstraße im alten Berliner Zeitungsviertel ist eine Baukörpercollage aus vier Hauptelementen. Da ist zunächst der 1961 fertiggestellte, 17-geschossige Altbau von Schwebes und Schoszberger, der sogenannte „Turm“. Ihm wurde die „Scheibe“ zur Seite gestellt, ein im Grundriß bananenförmig geschwungenes, vollverglastes Hochhaus von 22 Geschossen. Auffälligste Gestaltungsmerkmale der Scheibe sind zum einen die zur Entlüftung erforderliche, flugdachähnliche Dachskulptur, und zum anderen die in verschiedenen Rot- und Orangetönen changierenden Sonnenschutzelemente der Westseite. Ein dreigeschossiger, ebenfalls leicht gebogener „Flachbau“ markiert die Baufluchtlinie zur Kochstraße; auf ihm throhnt ein ebenfalls drei Geschosse hoher, bunter Zylinder, die sogenannte „Pillbox“.
Mit dieser Baukörperdisposition verstößt der Bau in signifikanter Weise gegen die in Berlin seit Anfang der neunziger Jahre obligatorische Doktrin der „kritischen Rekonstruktion“, die eine Blockrandschließung und die Einhaltung der Berliner Traufhöhe von 22 Metern erfordert hätte. Gleichwohl - oder vielmehr deswegen - ist der ambitionierte Bau von Sauerbruch / Hutton von der Fachkritik mit durchgängiger Begeisterung aufgenommen worden. Er ist Ergebnis eines 1990 / 91 durchgeführten Wettbewerbs, der noch vor Amtsantritt des späteren Senatsbaudirektors Hans Stimmann mit einem einstimmigen Votum für diesen Entwurf endete. Dennoch vergingen bis zum Baubeginn 1995 noch einige Jahre, weil inzwischen der Bezirk Kreuzberg gegen das Hochhaus-Vorhaben opponiert hatte.
Zur Ökologie: Dieses als „erstes ökologisches Hochhaus“ bezeichnete Gebäude kommt komplett ohne mechanische Belüftung aus. Die Architekten haben sich, zusammen mit den Ingenieuren von ARUP, ganz auf „passive“ also architektonische Maßnahmen zur Be- und Entlüftung verlassen. Zu diesen Maßnahmen zählt vor allen die zweischalige Verglasung der Hochhausscheibe mit dazwischenliegenden Sonnenschutz, die als Klimapuffer dient. Insgesamt soll der Energiebedarf gegenüber einem herkömmlichen Hochhaus um 40 bis 50 Prozent gesenkt werden.
Foto: GSW / Michael Jespersen
Homepage der GSW mit Beschreibung des Neubaus
BauNetz-Meldung zum Richtfest vom 23.9.1998