Die Firma „Las Vegas Sands“, der größte Casino-Betreiber der Welt, baut in Singapur das erste Spielcasino der Stadt. Es soll mehr als 3,6 Milliarden US-Dollar kosten, 30.000 Arbeitsplätze schaffen und wurde von Moshe Safdie aus Boston entworfen. Das wurde am 26. Mai 2006 bekanntgegeben.
Vier Konsortien hatten sich um die 30-Jahre-Lizenz beworben. Das Casino wird an der Downtown Marina Bay am Wasser gebaut und soll schon 2009 eröffnet werden. Zum Casino gehören auch ein Konferenzzentrum, ein Theater und ein Luxushotel. Der Entwurf von Safdie ist „von Spielkarten inspiriert”.
Singapur will mit dem Monsterbau Tourismus und Dienstleistungssektor stärken und vom 13-Milliarden-Umsatz der Glückspielindustrie in Asien profitieren. Der Stadtstaat hatte 2005 ein jahrzehntelanges Glückspielverbot aufgehoben.
Bewerbungen für ein zweites Casino auf der Resort-Insel Sentosa können noch bis Oktober 2006 eingereicht werden.
Kommentar der Redaktion:
Safdies Casino-Projekt ist mit Abstand das bisher bizarrste Bauprojekt des Jahres: Der südostasiatische Tigerstaat war bislang für sein Kuss- und Kaugummiverbot, für Pressezensur und blankgeputzte Straßen bekannt. Die eiserne Hand von Lee Kuan Yew (Premierminister von 1959 bis 1990) hatte aus dem britischen Handelsposten die südostasiatische Vorzeigemetropole gemacht, in der das Bruttosozialprodukt das der ehemaligen Kolonialmacht mittlerweile weit übersteigt. Ausgerechnet diese aseptische Transitstadt soll nun zur Spielhölle Ostasiens werden.
Nicht weniger bizarr die Wahl des Architekten: Safdie, der mit dem Yad Vashem-Holocaust-Museum in Jerusalem und dem Yitzhak-Rabin-Zentrum in Tel Aviv in den letzten Jahren zweifellos die beiden wichtigsten Bauten Israels fertiggestellt hatte, soll nun zum architektonischen Entertainer der neureichen asiatischen Glücksritter werden.
Zu verstehen ist Singapurs völlige Hingabe zum hemmungslosen Kommerz nur durch die Konkurrenz von Macao. Die ehemalige portugiesische Kolonie vor den Toren Hongkongs galt bisher als Eldorado der spielverrückten Chinesen und bot auch ein entsprechend sumpfiges Ambiente. Südostasienkrise, SARS und Jemaah Islamiah scheinen Singapur schwer zugesetzt zu haben.
Ulf Meyer