Wie das Royal Institute of British Architects (RIBA) am 15. Oktober 2005 bekannt gab, wurde dem Neubau des schottischen Parlaments in Edinburgh von Miralles/Tagliabue (EMBT; Barcelona) der diesjährige RIBA-Stirling-Preis zuerkannt.
Seit Ende Juli ist die Shortlist für den Stirling-Preis 2005 bekannt (BauNetz-Meldung 28. 7. 2005). Der mit 22.000 britischen Pfund dotierte Preis gilt als der höchste Architekturpreis im Vereinigten Königreich.
Das schottische Parlament, das auf einen Entwurf von Enric Miralles zurückgeht und posthum von seiner Frau Benedetta Tagliabue fertig gestellt wurde, war im August 2004 eingeweiht worden (BauNetz-Meldung 11. 8. 2004).
Zur Begründung hieß es, dass EMBT die Rolle des Parlamentes richtig formuliert und in ihrem Entwurf reflektiert hätten. Weiterhin stelle der Bau einen organischer Übergang von der Stadt zum Drama der schottischen Landschaft dar. Die Innenräume seien sehr eindrucksvoll, manche sogar rechte Perlen öffentlicher Repräsentationsräume wie die Eingangshalle, die Konferenzräume und der Plenarsaal. Auch viele weitere Errungenschaften sowohl in gestalterischer und baukonstruktiver Hinsicht seien bemerkenswert.
Kommentar der Redaktion:
Trotz der spärlichen Begründung der Jury scheint diese Entscheidung für den wichtigsten britischen Architekturpreis doch fraglich.
Dass die schottische Bevölkerung, die ob ihrer noch jungen Regionalautonomie seit Nov. 1998 sich über ihr Parlament als Institution und damit vielleicht auch über das Parlament als Gebäude freut, mag plausibel sein, doch die Verleihung dieses gesamtbritischen Architekturpreises kann kaum aus dieser Euphorie abgeleitet sein.
Mit 431 Millionen Pfund wurde das Gebäude elf mal so teuer als ursprünglich geplant. Diese Kostenexplosion überbot sogar Utzons Oper in Sydney. Nur war diese Oper eine architektonische Sensation, eine Inkunabel der Moderne, mit der sich die Stadt und mit ihr ganz Australien identifizieren konnte.
Das schottische Parlament hingegen verfügt über keinerlei Zeichenfunktion. Der Bau ist so indifferent, kleinteilig und überfrachtet, das er in der Silhouette Edinburghs vollständig untergeht. Mit ihm wurde kein unverwechselbares Ensemble geschaffen, das als baukünstlerische Einzigartigkeit jedem erinnerlich ist oder mit einfachen Worten zu beschreiben wäre.
EMBT verloren sich in Details wie Fassadenapplikationen, organischen Fenster- und Dachformen, anthroposophisch anmutenden Interieurs und Möbeln usw., die so unüberschaubar und wirr sind, das eine geistige Aneignung, eine Identifikation mit dem wichtigsten öffentlichen Gebäude Schottlands allein aus wahrnehmungspsychologischen Gründen kaum möglich ist. Benedetta Tabliabues Gestaltungswut schoss weit über das Ziel hinaus.
Diese Unverhältnismäßigkeit der Mittel nun auch noch auszuzeichnen...?
Arne Winkelmann