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28.02.2003
Kleiner Louvre für Berlin
Pei-Bau übergeben / Kommentar der Redaktion
Am 28. Februar 2003 übergab das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) in Berlin feierlich den Schlüssel des Erweiterungsbaus des Deutschen Historischen Museums an den Nutzer. An diesen Akt schließen sich zwei Tage der Offenen Tür an (1. und 2. März 2003, jeweils 10.00 bis 17.00 Uhr). Die feierliche Eröffnung des Gebäudes findet im Frühjahr 2003 statt.
Der Neubau des Wechselausstellungsgebäudes (so der offizielle Name) schließt an den Hauptsitz des Museums, das historische Zeughaus Unter den Linden, rückwärtig an. Der Entwurf stammt von dem New Yorker Architekten Ieoh Ming Pei. Er war seinerzeit von Bundeskanzler Helmut Kohl direkt beauftragt worden.
Das Gebäude ist unter der Leitung des Bundesamts für Bauwesen termingerecht fertig geworden; das Budget von 54 Millionen Euro wurde leicht unterschritten.
Kommentar der BauNetz-Redaktion
Nun hat Berlin also auch seinen kleinen Louvre. Unter dem Architekten der Louvre-Pyramide, Ieoh Ming Pei, wollte Helmut Kohl es nicht machen. Daher beauftragte er den „Star-Architekten“ direkt, unter Umgehung eines für eine solche Aufgabe geradezu zwingend erforderlichen anonymen Architektenwettbewerbs. Erster Fehler.
Dann wurde, von wem auch immer, entschieden, den Erweiterungsbau nicht ebenerdig an das Haupthaus anzuschließen, sondern mittels eines Ganges im Untergeschoss. Gewonnen wurde damit zwar freier Durchgang und Durchblick hinter dem Zeughaus, verloren ging aber die Übersichtlichkeit und die räumliche Orientierung. Die Wegführung durch den Keller muss dem Publikum jedenfalls mit Rolltreppen schmackhaft gemacht werden - wie im Kaufhaus. Zweiter Fehler.
Obwohl sicher die meisten Besucher durch den Kellereingang vom Haupthaus her kommen werden, wurde der direkte Außenzugang zum Erweiterungsbau von der Straße „Am Gießhaus“ aus in aufwändiger, fast penetranter Weise inszeniert: Ein gläserner Zylinder mit spiralförmigem gläsernem „Rucksack“ wurde so in den Straßenraum geschoben, dass er für die Flaneure auf den „Linden“ als einladendes Merkzeichen wirken möge; als Zeichen für den Eingang nicht nur des Wechselausstellungsgebäudes, sondern gar der ganzen Museumsinsel. Gleich Fosters Reichstagskuppel soll die so genannte „Spindel“ zu einem neuen Wahrzeichen Berlins werden, wie BBR-Präsident Mausbach anlässlich der Schlüsselübergabe vollmundig prognostizierte. Hier kann man sie regelrecht greifen, die Sehnsucht nach der Symbolhaftigkeit der Louvre-Pyramide.
Während die optisch so wirkmächtige Pariser Maßnahme erst die Voraussetzung für eine zeitgemäße Lenkung der Besucherströme ist, wird die Spindel hier geradezu zu einem Hindernis: Sie steht sich selbst im Weg. Völlig absurderweise kann man nämlich in der Spindel, die als Treppenturm präsentiert wird, nur zwischen dem ersten und dem zweiten Obergeschoss überhaupt eine Treppe benutzen. Statt alle vier Geschosse mit Publikumsverkehr durch eine solche Geste miteinander zu verbinden, sind es hier nur deren zwei. Damit ist die Spindel ein postmoderner, funktionsloser Architektur-Gimmick. Dritter Fehler.
Was sich hinter dem Eingang auftut, kann man dann nur als atemberaubende Raumverschwendung bezeichnen. Der ganze Neubau scheint im Wesentlichen aus repräsentativen Verkehrsflächen zu bestehen. Die eigentlichen Ausstellungssäle, fast fensterlos und vergleichsweise klein in Höhe und Fläche, wirken wie zufällig angehängt.
Das haushohe Foyer vom Keller bis unter das Dach bietet auf vier Ebenen sicherlich viel Raum für exklusive Empfänge und geldbringende Sonderveranstaltungen. Für seinen eigentlichen Zweck, nämlich den Eingangsbereich eines Wechselausstellungsgebäudes funktional abzubilden, ist es geradezu aberwitzig überdimensioniert. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass das benachbarte barocke Hauptgebäude ja seinerseits schon über einen großen, mittlerweile verglasten Innenhof verfügt, der ebenfalls für temporäre Sondernutzungen zur Verfügung stünde. Vierter Fehler.
Ansonsten: saubere Details, edle Materialien, und eine neue Wortschöpfung: „Architekturbeton“. So wird der besonders sorgfältig hergestellte, mit Zuschlägen aus gelben Sanden veredelte Beton genannt, der hier zum Einsatz kam und reizvoll mit französischem Kalkstein und amerikanischem Granit in Beziehung tritt.
All dies wäre allerdings gar nicht nötig gewesen, wenn man den Bestand geachtet hätte: Das für den Ñeubau abgerissene ehemalige Depotgebäude aus frühen DDR-Tagen war ein überaus qualitätvoller Putzbau der unmittelbaren Nachkriegszeit. Der hätte sich von kreativen Architekten durch einfache, aber selbstbewusste Maßnahmen für den jetzigen Zweck umrüsten lassen - zu einem Bruchteil der Kosten. Dieses nicht getan zu haben, war sozusagen der nullte Fehler.
Benedikt Hotze
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