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27.06.2007
Dignität durch Dekonstruktion
Neuer Chipperfield-Entwurf für Berliner Museumsinsel
„Miesian Minimalism“ – der um große Worte niemals verlegene Berliner Museumsdirektor Klaus-Peter Schuster genoss sichtlich seinen Auftritt auf einer überfüllten Pressekonferenz im Berliner Pergamonmuseum. Hier wurde am 27. Juni 2007 der völlig überarbeitete Entwurf des Architekten David Chipperfield für ein neues Eingangs- und Servicebauwerk für die Berliner Museumsinsel vorgestellt. Für das Bauwerk mit dem Namen James-Simon-Galerie hat der Bund im November 2006 die Mittel in Höhe von 73 Millionen Euro freigegeben.
Gegenüber seinem bisherigen Entwurf, der auf einem solitären Baukörper beruhte (siehe Abbildungen zur BauNetz-Meldung vom 10. August 2006), hat Chipperfield nun nach eigenen Angaben „den Vorentwurf dekonstruiert“: Entstanden ist ein Konglomerat von Kolonnaden, die den Bauplatz, den Standort des 1939 abgerissenen Packhofs, umschließen und vorhandene Kolonnaden fortsetzen. Im Westen und Süden entstehen neue Kolonnadenhöfe. Eine umschlossene Freitreppe bildet die Eingangsgeste zum Lustgarten und damit zur Prachtachse „Unter den Linden“ bzw. den dort geplanten Nachbildungen der Schlossfassaden.
Das neue Gebäude repräsentiere den Typus „Tempel auf dem Sockel“ (Schuster). Und weiter: „Das ist die Würdeformel für die Museumsinsel, die ‚Große Neugierde dieser Bildungslandschaft‘.“ Dem bisherigen Entwurf, der wegen mangelnder Finanzierung sowieso nur „Platzhalter“ gewesen sei, hätte „die Würde gefehlt“, so der „ästhetische Konvertit“ Schuster. „Der neue Entwurf atmet die Dignität einer Tempelstadt“.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Staatlichen Museen sind also zufrieden. Haben sie nun einen Entwurf bekommen, der einerseits repräsentativ genug für diesen Welterbe-Standort ist, andererseits aber nicht eingeknickt ist vor den Forderungen der ewig gestrigen Historisten, die sich hier kein Gebäude aus dem Geist der Moderne vorstellen können (siehe BauNetz-Meldung vom 6. März 2007). Chipperfields schlanke, dekorlose Säulen sind klassisch, aber nicht klassizistisch: „Von Messel zu Mies via Stüler“, um noch ein letztes Mal Klaus-Peter Schuster zu zitieren.
Klaus-Dieter Lehmann von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz erklärte noch einmal die Notwendigkeit des Neubaus. Die touristisch hochfrequentierte Museumsinsel hat bisher so gut wie keine Infrastruktur. Durch den Neubau werden die Besucherströme für die einzelnen Museen im Sinne des „Masterplans Museumsinsel“ von 1999 (siehe BauNetz-Meldung vom 7. Juni 1999) verteilt. Es wird Räume für Wechselausstellungen geben, Auditorien, Restaurants, Shops und Toiletten. Den Neubauentwurf hält Lehmann für „eine wunderbare Gartenarchitektur“, die im übrigen mit Denkmalpflege, Denkmalrat und den Welterbe-Wächtern von ICOMOS abgestimmt sei. Chipperfield, der ja kein Autist sei, sondern dialogfähig, habe auf Kritik reagiert und seinen Entwurf angepasst.
Einen historistischen Entwurf für diesen Bauplatz hält Lehmann allerdings für „ahistorisch“. Die Museumsinsel, „der Sehnsuchtsort für alle“, bestehe aus Gebäuden, die „selbstbewusst für ihre jeweilige Zeit und Gesellschaft“ stehen.
Das soll mit dem Neubau der James-Simon-Galerie nicht anders werden, diese Gewissheit haben wir nun. Berlin hat mit diesem Entwurf in jeder Hinsicht gewonnen.
Benedikt Hotze
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