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28.04.2006

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Hanebüchene Hervorbringungen

Neue Niemeyer-Variante für Potsdamer Bad – mit Kommentar


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Am 26. April 2006 stellten Stadt und Stadtwerke Potsdam den aktuellen Planungsstand für das dort geplante Freizeitbad vor. Nachdem zunächst mehrere Standorte geprüft worden waren, sind zwei als geeignet befunden worden: der Brauhausberg und die Speicherstadt. Dafür wurden drei Varianten entwickelt:

  • ein weiterentwickeltes Niemeyer-Bad unter Einbeziehung der Sanierung der alten Schwimmhalle inklusive eines neuen Daches

  • ein kompaktes Freizeitbad eines anderen Architekten am Brauhausberg unter Einbeziehung der Sanierung der alten Schwimmhalle

  • ein alternatives Freizeitbad mit Sportschwimmhalle in der Speicherstadt
Stadt und Stadtwerke bevorzugen die Niemeyer-Variante „aufgrund der attraktiven Architektur und der dezentralen Anordnung der einzelnen Bereiche“. Im Gegensatz zu früheren Planungen soll jetzt die bestehende Schwimmhalle in das Konzept einbezogen werden und ein Dach nach Entwurf von Niemeyer erhalten („Niemeyer aus einem Guss“).

Die Stadtwerke glauben, dass „bei einem positiven Bescheid über eine ausreichende Förderung der Niemeyer-Variante der Baubeginn im März 2007 und die Fertigstellung Anfang 2009 erfolgen könnte“.

Kommentar der Redaktion

Wie lange darf man eigentlich als Architekturjournalist schweigen, ohne sich mitschuldig zu machen? Mitschuldig an baukulturellem Unfug? Denn genau dieser soll offenbar in Potsdam gebaut werden. Die neuesten Modellsimulationen der Stadtwerke Potsdam zeigen banale Architektur-Versatzstücke, die man von einer Messebaufirma erwarten würde, nicht jedoch von einem „Klassiker der Moderne“, als der Oscar Niemeyer in Potsdam gern apostrophiert wird.

Die Geschichte dieses Unfugs beginnt damit, dass irgendwelche Granden der Potsdamer Lokalpolitik und -verwaltung unbedingt einen Bilbao-Effekt für ihre Stadt herbeiführen wollen. Jemand muss ihnen eingeflüstert haben, der heute 98-jährige Niemeyer sei der einzige lebende Architekt, der eine solche Aufgabe bewältigen könnte. Man kauft also – gegen bestehende Vergaberegeln, die einen Wettbewerb erfordert hätten – einen „Stararchitekten“ und nimmt diesem gläubig jedwede noch so hanebüchene Hervorbringung als begnadeten Entwurf eines Pritzker-Preisträgers ab.

Tatsächlich sehen wir vier verschieden große und schematisch verglaste Kugelsegmente, die an Schalenbauten von Heinz Isler in der Schweiz erinnern – Sixties-Science-Fiction, aber kein Beitrag zur aktuellen Architektur. Verbunden sind die Kuppeln mit einem dazwischen ausgekippten Flachbau, dessen Außenwände im Grundriss leicht wellenförmig angeordnet sind. Davor steht, den Flachbau halb durchdringend, eine entsetzlich banale, kreisrunde Keksdose, die man auf dem Hof einer Gebrauchtwagenhandlung im Gewerbegebiet verorten würde, nicht aber am Potsdamer Brauhausberg. Das Absurdeste ist aber, dass die bestehende Schwimmhalle nun einbezogen wird und ebenfalls „niemeyermäßig“ überdacht werden soll. Damit verliert die Halle ihr bestimmendes architektonisches Ausdrucksmittel, das Hängeseiltragwerk mit 40 Metern Spannweite, eine Errungenschaft der DDR-Moderne von 1969.

Niemand will Niemeyer seine Verdienste absprechen, aber seine Potsdamer Freizeitbad-Entwürfe sollte man als das bezeichnen dürfen, was sie sind: uninspirierter und teurer Murks. Solange man (nur) den großen Namen will, wird sich an den Plänen der Stadt und ihrer Stadtwerke wenig ändern – dann muss eben die nächsthöhere Instanz den Geldhahn zudrehen. Wenn aber die Bedürfnisse der Bevölkerung nach einem funktionierenden und gut gestalteten Freizeitbad vernünftigerweise die Oberhand gewännen, dann sollte man das machen, was zu Beginn dieser Geschichte versäumt wurde: einen offenen Architekturwettbewerb durchführen. Dann werden die Architekten aus Berlin und Brandenburg beweisen, dass sie innovativer, besser und preiswerter bauen können als der alte Herr aus Rio.

Benedikt Hotze


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