Am 3., 4. und 5. Oktober 2008, jeweils 10-18 Uhr, wird das Kunstmuseum Moritzburg in Halle/Saale (Sachsen Anhalt) erstmals nach seinem Umbau für Besucher zu einer „Vorbesichtigung“ geöffnet. Der Entwurf des Umbaus stammt von dem Büro Nieto Sobejano Arquitectos, Madrid, das 2004 einen entsprechenden Wettbewerb gewonnen hatte (siehe BauNetz-Meldung vom 18. Juni 2004). Der Bauherr verbreitet zu diesem Anlass einen anschaulichen Bericht des Berliner Kunsthistorikers Jürgen Tietz:
Silbrig schimmernd ragt die steile Dachlandschaft der Moritzburg in den Himmel über Halle – eine moderne Landmarke, die für ein neues Kapitel in der gut fünfhundertjährigen Geschichte der Moritzburg steht. Bereits in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges ging die prächtige Residenz des Erzbischofs Albrecht von Brandenburg unter. Seitdem war der Westflügel nur noch eine Ruine. Später in Teilen als Lagerhalle und Lazarett genutzt, stieg die Moritzburg erst Ende des 19. Jahrhunderts zum Museum auf. Mit dem Bau des neuen Ausstellungsflügels ist es den beiden spanischen Architekten Fuensanta Nieto und Enrique Sobejano nun gelungen, endlich den benötigten Ausstellungsraum für die herausragende Sammlung des Kunstmuseums des Landes Sachsen-Anhalt zu schaffen und damit der Stadt Halle eine neue architektonische Visitenkarte zu verleihen.
„Für unseren Entwurf war es entscheidend, die Ruine zu respektieren.“, erläutert Enrique Sobejano das Konzept für den Umbau. Daher bleiben nicht nur an der Fassade, sondern auch im Inneren des Museums die rauen Bruchsteinwände für die Besucher weiter erlebbar. Sie bilden einen markanten Kontrast zu den neuen kubischen Einbauten. Ziel des Eingriffes von Nieto Sobejano war es, den großzügigen Westflügel weiterhin als einen einheitlichen Raum erfahrbar zu belassen und zugleich die geforderte Ausstellungsfläche für die Bestände des Museums und die Brücke-Sammlung von Hermann Gerlinger zu schaffen.
Um dieses Ziel zu erreichen, haben die Architekten der Ruine nicht nur ein Dach aufgesetzt, sondern auch eine große weiße Ausstellungsbox in den Raum eingehängt. Von den historischen Seitenwänden abgelöst, scheint sie im Raum zu schweben. Zugleich eröffnen sich dadurch faszinierende Ein- und Durchblicke, durch die ein spannungsvoller Dialog zwischen der historischen Architektur und den modernen Einbauten entsteht. Zusätzlich ist im Nordflügel neuer Raum für Wechselausstellungen entstanden. Und neu sind schließlich auch der Eingang sowie Buchladen und Cafe im Erdgeschoss des Nordflügels.
Neben dem Respekt vor der Ruine bildeten die Auseinandersetzung mit der Dachlandschaft Halles und mit den berühmten Halle-Bildern des Bauhausmeisters Lyonel Feininger entscheidende Bezugspunkte für den Entwurf von Nieto Sobejano. Ohnehin gehört die Auseinandersetzung mit dem Ort, mit seiner Geschichte und seinem Umfeld zu den Leitmotiven im Werk der erfolgreichen spanischen Architekten, die erst jüngst das Kongreßzentrum für die Expo 2008 in Saragossa verwirklicht haben.
„Durch den alten steinernen Schlossbau besitzt die Moritzburg eine große Schwere. Deshalb haben wir für das Dach Aluminium gewählt, ein Material, das in unseren Augen besonders leicht wirkt.“, erläutert Sobejano die Materialwahl. Neben dem Aluminium, das künftig auch den neu errichteten Turm an der Süd-West-Ecke der Moritzburg verkleiden soll, haben nur wenige andere Materialien Verwendung gefunden: weiße Wandflächen, dunkler Stahl und grüngraue Faserzementplatten – und natürlich Glas, das reizvolle Ein- und Ausblicke in das Museum eröffnet
Eine besondere Bedeutung besitzt jedoch die neue Dachlandschaft, deren Aluminium-Trapeze nicht nur den Dialog mit den angrenzenden Bauten, mit dem Talamt von 1904 und der Maria-Magdalenen-Kapelle, suchen. Die expressiven Formen lehnen sich zugleich an die Formensprache Lyonel Feiningers an. Vor allem aber dienen die neuen Dachformen als Oberlichter: Durch sie erhalten die darunter liegenden Ausstellungsbereiche natürliches Licht. So wird die innere Struktur des Museums durch die Anordnung der Oberlichter ablesbar. Funktion und Gestaltung, Raumwirkung und Zeitschichten – sie fügen sich bei dem neuen Ausstellungsflügel der Moritzburg zu einer kunstvollen Einheit, die den Besuch des Museums zu einem architektonischen Erlebnis werden lässt.
Jürgen Tietz
Zum Thema:
www.kunstmuseum-moritzburg.de
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Artur | 14.12.2008 14:47 UhrRe-spekt
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Es freut mich dass der Gedanke an den
Genius Loci nicht verloren gegangen
und Respekt das Mass der Dinge ist.