„Kunst ist dazu da, zu verstören“, hatte der Kubist Georges Braque einst behauptet. Aber gilt das für Kunstmuseen auch? Das fragt die Denver Post am 3. Dezember 2006 ihre Leser angesichts der Beschwerden, die derzeit bei ihr eingehen: Denn die dekonstruktivistische Architektur der Erweiterung des Denver Art Museum von Daniel Libeskind verstört viele Besucher und macht sie „dizzy“ oder gar „woozy“!
„Wenn man schräge Wände entlang blickt, bewegen sich kleine Kristalle im inneren Ohr. Wenn dann noch schräge Kanten und verwinkelte Treppen dazukommen, die die Augen beunruhigen, ist das Ergebnis magenbelastend”, erläutert Carol Foster in dem Artikel. Sie ist Ohrenärztin an der University of Colorado. „Meine Patiententen gehen gar nicht erst in das neue Kunstmuseum. Wenn man sie dort hinfahren würde, könnten sie nur auf dem Boden herumkriechen“ witzelt sie.
Beim Museum selbst ist erst eine einzige offizielle Beschwerde wegen architekturbedingter Seekrankheit eingegangen. Aber als die örtliche Architekturfakultät einen Ausflug zu dem spektakulären Neubau unternahm, klagten hinterher drei der elf Studenten über Übelkeit und Schwindel. Die Kommentare der Studenten reichten von „schlimmer als Autofahren“ bis zu „man kann sich nicht auf die Kunst konzentrieren“. Oft hängen Bilder an ungeraden Wänden oder Videos werden auf trapezoide Wände projiziert, so dass sie selbst schief wirken.
Dazu noch einmal Carol Foster: „Professionelle Eiskunstläufer trainieren solche Raumwahrnehmungen, aber normale Leute natürlich nicht. Nicht nur das Gleichgewichtsgefühl im Ohr wird von der Architektur herausgefordert, sondern auch das Auge. Unterbewusst orientieren wir uns an Dingen, die etwa zwei Meter von uns entfernt sind”, erklärt sie: „Aber im Museum kippen die Wände weg vom ’Canyon Walk’, so dass viele Besucher sich am Handlauf festklammern”.
Libeskind war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Ulf Meyer