Auch in der Provinz ist der präsidiale Bauwille spürbar: Ein kulturelles Großprojekt soll im nordfranzösischen Tourcoing den Übergang von einer Schwer- und Textilindustrieregion zum Dienstleistungsstandort erleichtern. Mit dem Bau, der am 18. Oktober 1997 eröffnet wird, erhält die Stadt ein Nationales Studio für zeitgenössische Kunst – genannt „Le Fresnoy“. Maximal 48 Studenten können hier ein von internationalen Gastdozenten geleitetes, zweijähriges Aufbaustudium absolvieren. Gearbeitet wird vornehmlich mit neuen Medien.
Ähnlich dem Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie beziehen die Franzosen ebenfalls ein Altbau-Ensemble. Die um einen kleinen Werkhof gestellten, 1905 errichteten Kleinbauten dienten einst dem ausgelassenen Vergnügen: ein Ballhaus und ein Filmtheater waren hier untergebracht. Von schlanken Rundstützen emporgehoben liegt ein Gittertragwerk über dem Bestand. Die Zone zwischen Denkmal und Dach erklärt Bernhard Tschumi zum Spielfeld seines dekonstruktivistischen Denkmodells: Treppen und Stege, Balkone und Plattformen führen ein wildes Eigenleben und schaffen Raum für Vorstellungen, Projektionen und Happenings.