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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen_Cite_Artisanale_bei_Paris_von_Candilis_Josic_Woods_droht_Abriss_26148.html

17.01.2007

„Unser brennender Wille“

Cité Artisanale bei Paris von Candilis Josic Woods droht Abriss


Am 17. Januar 2007 erreicht die BauNetz-Redaktion eine Petition von Architekten aus Frankreich an den Kulturminister Donnedieu de Fabres, die den Minister auffordert, für den der Erhalt der Cité Artisanale in Sèvres, einem Vorort von Paris, zu sorgen, die von den Architekten Candilis Woods Josic entworfen wurde. Diese hatten auch die „Rostlaube“ der FU Berlin entworfen.

Auszug aus der Petition: „Sehr geehrter Herr Minister, heute nährt höchst besorgniserregender Lärm unsere Betroffenheit und unseren brennenden Willen, dieses architektonische Paradigma zu retten. Wir möchten Sie erfolgreich davon überzeugen, dass die Cité Artisanale in Sèvres auch ihre Besorgnis erregen sollte. Sie verdient es zu überleben – aufgrund ihrer architektonischen und konstruktiven Qualität und nicht zuletzt aufgrund ihrer internationalen Bekanntheit.
Zahlreiche Briefe aus ganz Europa und den USA von den besten Architekturspezialisten, die sie diesbezüglich in den letzten Wochen erhielten, sollten Beweis genug dafür sein. Alle attestieren der Cité Artisanale de Sèvres eine emblematische Rolle in der französischen Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts.“

Im folgenden wird Kulturminister Donnedieu de Fabres – der erst vor wenigen Tagen offiziell bekanntgab, den Namen und Teile der Sammlung des Louvre für zwanzig Jahre und gegen Zahlung von bis zu einer Milliarde Petro-Dollars an Abu Dhabi (siehe BauNetz-Meldung vom 16. Januar 2007) verleihen zu wollen, da das „dem Ansehen Frankreichs diene“ – darauf hingewiesen, dass selbst in den Datenbeständen seiner Behörde deutlich verzeichnet sei, dass es sich bei der Cité um einen historischen und stilprägenden Ort der Architektur 20. Jahrhunderts handele. „Welchen Nutzen haben solche Informationen, wenn sie den Untergang nationalen Architekturerbes nicht verhindern können?“, fragen die Architekten in der Petition weiter. „Welchen Nutzen kann es haben, sieben Mal ‚Chastel‘ in die Datenbank zu schreiben, wenn ein Kulturminister, der zugleich Präsident des MIQCP ist, nicht seinen Einfluss gegenüber dem Bürgermeister von Sèvres nutzt und so gleichsam zum Komplizen dieser Zerstörung wird?“

MICQP? Das ist die Abkürzung für „Mission interministérielle pour la qualité des constructions publiques“, also die interministerielle Mission für die Qualität öffentlicher Bauten. Die Cité Artisanale aus den 1960er Jahren gehört zu den weltweit ersten gebauten Beispielen der „architecture proliférante“ – zu der man auch die FU Berlin zählen kann – und war seinerzeit ein öffentliches Bauprojekt.

Wird die Cité tatsächlich geschleift, sollen nach dem Willen von François Kosciusko-Morizet, UMP-Bürgermeister von Sèvres und Parteifreund von Minister Donnedieu de Fabres, an deren Stelle ein Wohnhaus und luxuriöse Altenwohnungen für gut betuchte Pensionäre im neo-klassizistischen Stil entstehen. Für 800 Quadratmeter mittelmäßiger Investorenarchitektur ist Kosciusko-Morizet anscheinend bereit, knapp 6500 Quadratmeter architektonischen Erbes abzureißen. Wieder einmal bleibt die Frage zu stellen: Wer profitiert?
Die Zerstörung der Cité ist nach Aktenlage beschlossene Sache, doch noch ist nichts demoliert: Die protestierenden Architekten unter Pierre Lagard haben inzwischen zumindest einen Aufschub des Abrisses erreichen können. Weitere Argumente gegen den Abriss wären, dass 48 Prozent der geplanten Luxus-Altenwohnungen noch nicht einmal verkauft sind und dass Bewohner des Viertels versichern, dass sich auf dem Gelände, auf dem die geplanten Neubauten entstehen würden, eine Deponie für alten, sprich kontaminierten Streusand befindet.
Noch ist also Zeit, die Cité Artisanale zur retten. Die Architekten, die die Petition verfasst haben, sind sich sicher, dass der historische Bestand nicht nur eine gute Substanz hat, sondern auch leicht neuen Nutzungen zugeführt werden kann. Sie schlagen vor, Alexis Josic, den einzigen noch lebenden Architekten des Trios, die Umnutzungsplanungen im Geiste des Originals leiten zu lassen. Dessen Wohnhaus steht auch in Sèvres.

Unterdessen kann man die Petition (siehe Link unten) unterschreiben, öffentlichen Druck ausüben und abwarten, wie der französische Kulturminister und Präsident der „interministeriellen Mission für die Qualität öffentlicher Bauten“ auf solcherlei Vorhaben – direkt vor seiner Haustür – reagiert. Wenn er seinen Ämtern dergestalt nachkommt, dass der Abriss der Cité Artisanale nicht verhindert wird, wäre das wahrlich ein Skandal – der auch über die Grenzen von Frankreich hinaus ein Echo werfen wird.
Das Kulturministerium hat dem Druck der Protestler ein wenig nachgeben müssen und – womöglich auch aus wahlkampftaktischen Gründen – versprochen, eine Untersuchung des Falls anzuberaumen. Hoffen wir das Beste.

Till Wöhler


Zum Thema:

Einen Link, um eine Petitionsmail zu schreiben, finden Sie auf dieser Seite: Sèvres


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